Sechzig Jahre an der Spitze eines Konzerns sind kein normales Managerleben, sondern eine Institution. Zum Jahreswechsel endet diese Ära. Warren Buffett übergibt den CEO-Posten von Berkshire Hathaway an seinen designierten Nachfolger Greg Abel. Für Investoren ist das mehr als ein Personalwechsel. Es ist ein Moment, der das Selbstverständnis des größten Konglomerats der USA infrage stellt.
Buffett hat den Übergang lange vorbereitet, öffentlich wie intern. Und doch bleibt Unsicherheit. Denn Berkshire war nie nur ein Unternehmen, sondern ein Abbild seines Chefs: konservativ, geduldig, langfristig. Mit dem Abschied von Buffett endet diese personelle Deckungsgleichheit.
Die künftige Anlagestrategie verliert ihre zentrale Figur
Berkshire ist operativ breit aufgestellt: Versicherungen, Energie, Eisenbahn, Industrie. Der Mythos des Konzerns aber speist sich aus dem Aktienportfolio von rund 250 Milliarden Dollar. Buffetts Investitionen galten jahrzehntelang als Gütesiegel, seine Käufe wurden kopiert, seine Zurückhaltung bewundert.
Künftig ist offen, wer diese Rolle ausfüllt. Buffett hatte das Portfoliomanagement zuletzt mit Ted Weschler und Todd Combs geteilt. Mit Buffetts Rückzug verlässt auch Combs das Unternehmen. Übrig bleibt Weschler – ohne klar erkennbare Erfolgsbilanz, weil Berkshire bewusst nie offengelegt hat, wer welche Entscheidung verantwortete.
Das rächt sich nun. Selbst langjährige Aktionäre beklagen fehlende Transparenz. Der legendäre Einstieg bei Apple im Jahr 2016, der sich als größter Performancetreiber erwies, wird Weschler und Combs zugeschrieben – sicher ist das aber nicht. Gleiches gilt für den überraschenden Einstieg bei Alphabet, der erst kürzlich bekannt wurde.
Die nüchterne Bilanz der kleineren Aktienkäufe seit 2020 ist gemischt, bei den großen Milliardeninvestitionen sogar schwach. Für viele Investoren ist deshalb weniger entscheidend, wer künftig entscheidet – sondern ob Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten transparenter werden.
Die Buffett-Prämie steht zur Disposition
Über Jahrzehnte zahlten Anleger freiwillig einen Aufschlag für Berkshire. Diese sogenannte Buffett-Prämie speiste sich aus Vertrauen, Reputation und der Gewissheit, dass in Krisen der berühmteste Investor der Welt das Steuer hält.

Diese Prämie beginnt zu bröckeln. Nach Buffetts Ankündigung seines Rückzugs im Mai verlor die Aktie an relativer Stärke. Während der S&P 500 seitdem deutlich zulegte, blieb Berkshire zurück. Der Markt signalisiert damit, dass die Person Buffett nicht beliebig ersetzbar ist.
Greg Abel genießt intern hohes Ansehen. Buffett selbst lobt ihn seit Jahren als operativ überlegenen Manager. Doch Abel ist kein Ausnahmeinvestor, kein öffentlicher Fixpunkt für die Märkte. Seine Reputation muss erst entstehen. Die beruhigende Wirkung eines Buffett-Einstiegs in Krisenzeiten lässt sich nicht vererben.
Einige institutionelle Investoren reagieren vorsichtig. Positionen werden reduziert, nicht aus Misstrauen gegenüber dem Geschäftsmodell, sondern aus Respekt vor der Übergangsphase. Berkshire bleibt fundamental stark – aber die Aktie verliert ihren Sonderstatus.
Trumps Politik verändert das Risikoprofil des Konzerns
Hinzu kommt politischer Gegenwind. Die Politik von Donald Trump trifft Berkshire an mehreren Stellen gleichzeitig. Zölle und Handelskonflikte belasten die Eisenbahntochter BNSF, deren Umsätze historisch stark mit dem US-China-Handel korrelieren.
Noch schwerer wiegt der Zinsausblick. Berkshire sitzt auf 381 Milliarden Dollar Cash, die bislang hohe Zinserträge lieferten. Sinkende Leitzinsen – forciert durch politischen Druck auf die Federal Reserve – schmälern diese Einnahmen spürbar. Kurzlaufende Staatsanleihen reagieren besonders sensibel auf Zinssenkungen.
Auch die Energiesparte Berkshire Hathaway Energy, lange von Abel geführt, gerät unter Druck. Zwar steigt der Strombedarf durch Rechenzentren und KI-Anwendungen. Gleichzeitig beschleunigt Trumps Energiepolitik den Abbau von Förderungen für erneuerbare Energien. Künftige Renditen könnten niedriger ausfallen als bislang kalkuliert.
Der Konzern bleibt – die Aura geht
Berkshire Hathaway wird nicht über Nacht ein anderes Unternehmen. Buffett bleibt präsent, kommt weiter ins Büro, schreibt weiterhin seinen jährlichen Brief an die Aktionäre. Doch die symbolische Ordnung verschiebt sich. Den offiziellen CEO-Brief wird künftig Greg Abel verfassen. Das ist mehr als Formalie.
Die eigentliche Herausforderung beginnt jetzt: Kann Berkshire ohne Buffett mehr sein als ein hervorragend geführtes Konglomerat? Oder verliert es den Vertrauensvorschuss, der über Jahrzehnte Teil der Rendite war?
Die Antwort wird nicht in Quartalen entschieden, sondern über Jahre. Für Anleger bedeutet das: weniger Mythos, mehr Analyse. Und für Greg Abel beginnt eine der anspruchsvollsten Übergaben der Wirtschaftsgeschichte.


