Ein Satz, der die Debatte neu entfacht
Kaum kündigt sich die fünfte Jahreszeit an, ist der erste Kulturkampf schon da. Dorothee Bär, Bundesforschungsministerin (CSU), spricht im Podcast der Funke-Mediengruppe über ihre Kostüme. Und landet mitten in der politischen Reizthematik.
„Eines meiner schönsten Faschingsbilder ist, als ich mit drei Jahren als Indianerin im Kindergarten war“, sagt Bär. Keine Sekunde Zögern. Keine Vorsichtsrhetorik. Sie würde das Bild auch heute noch posten – inklusive Federschmuck.
Dann folgt der Satz, der hängen bleibt:
„Ich glaube, dass die indigenen Völker weniger Probleme damit haben als einige Moralapostel in Deutschland.“
Ein Satz, der wie ein Stein ins Wasser fällt. Die Wellen gehen sofort los.
Karneval war mal ein Experimentierfeld
Karneval bedeutete immer: Für ein paar Tage darf man jemand anders sein. Pirat, Prinzessin, Rockstar. Das war nie Wissenschaft, sondern Auszeit. Inzwischen wirkt es, als müsse jeder Kostümgriff erst durch ein internes Compliance-Gremium.
Bär kritisiert diese Entwicklung offen. Sie findet, dass die gesellschaftliche Sensibilität an vielen Stellen sinnvoll sei – aber beim Thema Kostüme inzwischen ins Überkorrekte kippt. „Natürlich gibt es Grenzen“, sagt sie. NS-Symbole oder kriegsverherrlichende Outfits seien tabu.
Aber ein Indianerkostüm? Für sie kein Problem.
Zwischen Humor und Hochspannung
Es geht längst nicht mehr um Federschmuck, sondern um Deutungshoheit:
Wer entscheidet, was verletzend ist?
Wer darf für wen sprechen?
Bär formuliert es pointiert: Die Empörung komme oft nicht von den Betroffenen selbst, sondern von deutschen „Moralaposteln“. Ein unangenehmer Gedanke: Kämpfen Menschen hier für andere – die selbst gar nicht kämpfen wollen?
Orden wider den tierischen Ernst
Bär wird im Januar vom Aachener Karnevalsverein ausgezeichnet. Eine Ehrung, die Politiker bekommen, die Humor nicht nur im Kalender, sondern auch im Blut haben. Frühere Preisträger: Konrad Adenauer, Helmut Schmidt, Friedrich Merz.
„Da hat es die Richtige erwischt“, sagt sie und wirkt ehrlich erfreut. „Ich liebe die närrische Zeit.“
Die Auszeichnung kommt nicht zufällig: Wer Humor verteidigt, macht sich derzeit angreifbar. Wer über ihn diskutiert, offenbar relevant.
Warum diese Debatte größer ist als Karneval
Karneval ist Stellvertreter. Die eigentliche Frage lautet:
Dürfen wir Dinge noch tun, die niemandem schaden – aber vielleicht jemanden theoretisch verletzen könnten?
Bär stellt sich klar gegen die selbst auferlegte Einschränkung. Und sie steht nicht allein damit. Viele Vereine berichten, dass sie zunehmend vorsichtig sind, um „kein Shitstormrisiko“ einzugehen.
Das Problem: Wenn Humor dauernd auf mögliche Folgen geprüft wird, verliert er seine Freiheit.
Was übrig bleibt
Bär polarisiert – keine Frage. Aber sie bringt etwas zurück in die Diskussion, das zuletzt verschwunden war: Normalität.
Es geht nicht darum, Minderheiten lächerlich zu machen. Es geht darum, aufzuhören, jede menschliche Geste unter kulturellen Verdacht zu stellen.
Karneval war einmal der Ort, an dem Menschen über die Welt lachten.
Nicht über einander.
Vielleicht wäre das ein guter Anfang für diese Saison.

