20. Juli, 2025

Politik

Asylwende in Zahlen – und ein Minister auf Gipfelkurs

Deutschland ist nicht mehr Spitzenreiter bei Asylanträgen – Innenminister Dobrindt will den Rückgang gemeinsam mit Europas Hardlinern verstetigen. Doch Experten warnen vor juristischen Fallstricken.

Asylwende in Zahlen – und ein Minister auf Gipfelkurs
Grenze dicht, Zahlen runter: Mit fast 50 % weniger Asylanträgen im ersten Halbjahr meldet Deutschland einen Einbruch – doch Menschenrechtler warnen vor systematischer Abschottung.

Einladung auf die Zugspitze

Alexander Dobrindt meint es ernst. Der Innenminister lädt seine europäischen Kollegen auf Deutschlands höchsten Gipfel, um dort den neuen Kurs in der Migrationspolitik zu besiegeln – möglichst mit vereinter Faust.

Mit am Tisch: Frankreich, Polen, Dänemark, Tschechien, Österreich. Und EU-Innenkommissar Magnus Brunner. Das Ziel ist deutlich: Europa soll bei der Begrenzung der Migration enger zusammenrücken. Oder wie es aus dem Innenministerium heißt: „gemeinsam wichtige Impulse für eine härtere europäische Migrationspolitik geben“.

Deutschlands Rückzug aus der Asyl-Spitzenrolle

Dass Dobrindt mit dem Rückenwind wachsender Zustimmung innerhalb der EU agiert, zeigt sich auch in den aktuellen Daten. Deutschland ist im ersten Halbjahr 2025 erstmals seit Jahren nicht mehr das Land mit den meisten Asylanträgen in der EU.

Spanien und Frankreich haben die Bundesrepublik überholt – ein symbolischer Dammbruch, den die CSU als Erfolg verkauft. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurden bis Ende Juni 61.336 Erstanträge gestellt – fast 50 % weniger als im Vorjahreszeitraum.

Stichwort: Grenzkontrollen

Eine Ursache: Dobrindts Grenzpolitik. Seit Mai gelten strengere Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen, inklusive Zurückweisungen. Wer aus einem „sicheren Drittstaat“ einreist, wird an der Grenze gestoppt – auch wenn er Asyl beantragt.

Im ersten Halbjahr 2025 wurden etwa 6.400 dieser Gesuche registriert. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum 2024 waren es noch rund 18.000. Der Rückgang ist messbar, doch nicht unumstritten.

Rechtslage versus Realität

Asylrechtler Daniel Thym sieht die Maßnahmen skeptisch:

„Zurückweisungen sind rechtlich wie faktisch nur Übergangslösungen“, warnt er.

Für eine dauerhafte Senkung brauche es europäische Kooperation.

Genau hier setzt Dobrindt an – nicht zuletzt mit der Forderung nach mehr Abkommen mit Drittstaaten. Statt sich mit EU-Partnern über Rückführungen zu streiten, will man die Ankunft vermeiden, bevor sie Europa erreicht.

Assads Sturz verändert Fluchtbewegungen

Auch geopolitische Verschiebungen wirken. Seit dem Ende des Assad-Regimes in Syrien im Dezember 2024 regiert ein islamistisches Übergangsbündnis.

Die Sicherheitslage bleibt fragil, doch Hoffnung auf Wiederaufbau zieht viele Syrer zurück. In der Statistik rutscht Syrien deshalb hinter Afghanistan, das nun die häufigste Herkunftsnation ist.

Ein Rückgang mit vielen Ursachen

Insgesamt verzeichnet die EU einen Rückgang von 23 % bei Asylanträgen gegenüber dem Vorjahr. Neben Syrien spielt auch die restriktivere Politik auf dem Balkan eine Rolle. Manche Länder der Region verweigern Migranten schlicht die Weiterreise – ein Effekt, den Dobrindt nun europäisch verankern will.

Familiennachzug auf Eis – der nächste Hebel?

Ein weiterer Pfeiler der Strategie: Die Aussetzung des Familiennachzugs für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus. Ein juristisch heikler Schritt – aber politisch populär. Beobachter vermuten, dass Dobrindt mit dem EU-Treffen ein Mandat erhalten will, um diese nationalen Maßnahmen zeitnah zurückzufahren – sobald die europäische Linie steht.

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