15. Dezember, 2025

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AstraZeneca unter juristischer Prüfung – warum der Markt gelassen bleibt

Der Bundesgerichtshof verhandelt über mögliche Impfschäden, Anleger reagieren nüchtern.

AstraZeneca unter juristischer Prüfung – warum der Markt gelassen bleibt
Der BGH verhandelt über eine Impfschaden-Klage gegen AstraZeneca. Die Aktie reagiert gelassen – aus gutem Grund.

Der Bundesgerichtshof verhandelt über eine Klage wegen angeblicher Impfschäden durch den Corona-Impfstoff von AstraZeneca – und die Aktie steigt trotzdem. Während in Karlsruhe grundsätzliche Fragen zur Haftung von Impfstoffherstellern verhandelt werden, signalisiert der Kapitalmarkt bemerkenswerte Gelassenheit. Das Verfahren ist rechtlich heikel, ökonomisch jedoch von begrenzter Sprengkraft.

Der Fall in Karlsruhe dreht sich um Grundsatzfragen

Konkret geht es um die Klage einer Frau, die im März 2021 mit dem AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria geimpft wurde. Nach der Impfung trat bei ihr unter anderem ein vollständiger Hörverlust auf einem Ohr auf. Die Klägerin macht geltend, der Impfstoff habe kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis gehabt. Sie fordert Schadenersatz sowie weitreichende Auskunft über bekannte Nebenwirkungen und Verdachtsfälle.

Der BGH prüft nun, ob AstraZeneca nach dem Arzneimittelgesetz haftbar gemacht werden kann. Maßgeblich ist dabei nicht die Existenz einer gesundheitlichen Beeinträchtigung allein, sondern die Frage, ob der Impfstoff bei sachgemäßer Anwendung Wirkungen gezeigt hat, die über ein wissenschaftlich vertretbares Maß hinausgehen – oder ob Informationen zu Risiken unzureichend waren.

Die Hürde für eine Herstellerhaftung ist hoch

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Koblenz stellte darauf ab, dass die Europäische Arzneimittelagentur dem Impfstoff zum Zeitpunkt der Anwendung ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis attestiert hatte. Genau dieser Zeitpunkt ist entscheidend. Dass AstraZeneca die Zulassung 2024 freiwillig zurückgab, ändere daran nichts, so die bisherige Rechtsprechung.

Juristisch ist die Messlatte klar definiert: Verdachtsmeldungen reichen nicht aus. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts wurden bis Ende 2024 rund 350.000 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet – bei knapp 200 Millionen verabreichten Impfungen. Schwerwiegende Verdachtsmeldungen lagen bei 0,32 pro 1.000 Dosen. Diese Zahlen belegen, wie scharf zwischen zeitlicher Korrelation und kausaler Schädigung unterschieden wird.

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Ein möglicher Ausweg selbst bei ungünstigem Urteil

Selbst für den Fall, dass der BGH die Rechtsauffassung der Klägerin teilweise teilen sollte, ist eine Haftung von AstraZeneca nicht zwingend. Eine Sonderregelung aus der Corona-Zeit könnte greifen. Die sogenannte Medizinischer-Bedarf-Versorgungssicherstellungs-Verordnung schließt Ansprüche gegen Pharmaunternehmen aus, wenn Impfstoffe vom Bundesgesundheitsministerium beschafft und in Verkehr gebracht wurden. Diese Vorschrift wurde bislang selten angewendet, steht aber weiterhin im Raum.

Parallel dazu hat der BGH erst im Oktober klargestellt, dass impfende Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich nicht persönlich haften. Verantwortlich für mögliche Aufklärungs- oder Organisationsmängel sei der Staat. Auch das begrenzt die zivilrechtliche Reichweite individueller Klagen.

Der Kapitalmarkt sieht kein systemisches Risiko

Dass die Aktie von AstraZeneca trotz der Verhandlung zulegt, ist Ausdruck dieser rechtlichen Einordnung. Anleger bewerten das Verfahren als Einzelfall ohne grundlegende Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. Weder drohen Sammelklagen amerikanischen Ausmaßes noch steht die regulatorische Zulassung von Produkten infrage.

Hinzu kommt: Die Corona-Impfstoffe spielen für AstraZeneca bilanziell längst keine tragende Rolle mehr. Der Konzern ist breit diversifiziert, vor allem im Onkologie- und Biopharmabereich, und operiert mit stabilen Cashflows. Juristische Altlasten aus der Pandemie gelten am Markt als eingepreist.

Eine Entscheidung mit Signalwirkung – aber begrenzter Tragweite

Der BGH könnte mit seiner Entscheidung wichtige Leitplanken setzen: zur Reichweite von Auskunftsansprüchen, zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Nachhinein und zur Verantwortung von Herstellern in Ausnahmesituationen. Für die Aufarbeitung der Pandemie ist das relevant.

Für AstraZeneca und den Pharmasektor insgesamt bleibt das Verfahren jedoch ein rechtliches Randthema. Solange Gerichte am Maßstab der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse festhalten, ist eine Welle erfolgreicher Haftungsklagen nicht zu erwarten.

Der Markt handelt entsprechend – nüchtern, nicht nervös.

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