14. Juni, 2025

Finanzen

Anleihen vor neuem Zyklus: Warum Anleger jetzt wieder umdenken müssen

Statt der lange dominierenden Divergenz zwischen Europa und den USA sehen Experten erste Zeichen einer Konvergenz – mit weitreichenden Folgen für Bond-Investoren. Die Fundamentaldaten rücken wieder in den Mittelpunkt. Doch einfache Antworten gibt es nicht.

Anleihen vor neuem Zyklus: Warum Anleger jetzt wieder umdenken müssen
Rendite mit Risiko: Trotz attraktiver Zinsen bleiben US-Staatsanleihen anfällig – eine abrupte Fed-Kehrtwende könnte jederzeit den Kurs drehen.

Die Karten werden neu gemischt. Nach Jahren, in denen die US- und die europäische Wirtschaft in unterschiedlichen Taktungen liefen, scheinen sich die Zyklen wieder anzugleichen.

Für Anleger im Anleihemarkt bedeutet diese Konvergenz eine Zäsur. Statt sich wie bisher vor allem an der Zinspolitik der Notenbanken zu orientieren, wird es wieder entscheidender, die fundamentale Verfassung einzelner Volkswirtschaften und Unternehmen zu bewerten. Der scheinbar trockene Markt für Bonds wird damit erneut zur Königsdisziplin für Strategen.

US-Staatsanleihen: Kurve steiler, Risiko höher

In den USA bleibt die Zinslandschaft trotz einer nachlassenden Konjunkturdynamik kompliziert. Zwar schwächt sich das Wachstum spürbar ab, doch die Federal Reserve zögert – aus Angst vor einer hartnäckigen Inflation.

Für Anleiheinvestoren eröffnet dies Chancen: Eine gezielte Positionierung entlang der Zinsstrukturkurve, insbesondere auf mittleren Laufzeiten zwischen zwei und fünf Jahren, könnte sich auszahlen.

Sollte die Wirtschaft stärker einbrechen, wäre die Fed gezwungen, die Zinsen rascher als derzeit signalisiert zu senken. Noch aber bleibt der Arbeitsmarkt überraschend stabil, was den Handlungsspielraum der US-Notenbank begrenzt.

Europa: Schuldendynamik als neuer Belastungsfaktor

Auf der anderen Seite des Atlantiks wirkt Europa erstaunlich robust, zumindest auf den ersten Blick. Doch die fiskalischen Spielräume werden enger. Deutschland etwa wird zur Finanzierung seiner ambitionierten Investitionspläne zusätzliche Anleihen emittieren müssen – und das ausgerechnet in einer Phase, in der die EZB ihr Anleihekaufprogramm zurückfährt.

Konvergenz mit Fallstricken: Während sich USA und Europa wirtschaftlich annähern, wird Qualität im Anleihenportfolio zum entscheidenden Schutzschild.

Diese Angebotsausweitung dürfte die Langfristzinsen belasten. Gleichwohl könnten Peripheriestaaten wie Griechenland profitieren: Ihre Anleihen profitieren von einer engeren europäischen Integration und historisch engen Spreads zu den deutschen Bundesanleihen.

Unternehmensanleihen: Defensive bleibt Trumpf

Auch im Corporate-Segment zeigt sich die zunehmende Unsicherheit. Zwar bewegen sich die Credit Spreads auf einem ausgedehnten, aber noch nicht extremen Niveau.

Doch die Tendenz zeigt klar nach oben – der Risikoappetit sinkt. Vor allem Hochzinsanleihen (High Yield) drohen bei weiterer Verschärfung des ökonomischen Umfelds unter Druck zu geraten. Entsprechend defensiv positionieren sich institutionelle Investoren: Vorrangig gekauft werden Papiere hoher Bonität aus stabilen Branchen – etwa Stromversorger.

Cash-Reserven werden bewusst gehalten, um mögliche Bewertungsrückgänge gezielt auszunutzen.

Emerging Markets: Selektive Chancen in Asien und Lateinamerika

Während sich die Industriestaaten in einer fortgeschrittenen Spätphase des Konjunkturzyklus bewegen, präsentieren sich viele Schwellenländer überraschend stabil. Lateinamerika und Asien profitieren von einer inzwischen abgeklungenen Inflationsdynamik.

Vor allem Lokalwährungsanleihen in Ländern wie Indonesien, Brasilien und Mexiko bleiben attraktiv. Die Währungen könnten zwar im Zuge eines globalen Abschwungs unter Druck geraten, doch die teilweise hohen Realrenditen bieten einen soliden Puffer.

Gleichzeitig verfolgen viele Emerging Markets eine vorausschauende Geldpolitik und haben ihre Laufzeiten geschickt verlängert.

Die neue Unsicherheit: Struktur statt Taktik

Der über Jahre dominierende kurzfristige Blick auf die Zentralbanken verliert somit an Relevanz. An seine Stelle tritt ein differenzierteres Bild: Fiskalische Nachhaltigkeit, Schuldenstruktur, Wachstumsperspektiven und politische Stabilität rücken stärker in den Vordergrund.

Insbesondere in Europa dürfte die Kombination aus steigenden Schuldenständen und strukturellen Wachstumsproblemen die Spreizung innerhalb des Bondmarkts künftig vergrößern.

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