Von Nvidia bis Renk: Die neue Wirklichkeit in deutschen Depots
Es war ein langsamer, dann rasanter Stimmungsumschwung: Noch vor zwei Jahren glichen viele Depots deutscher Privatanleger einem Abziehbild der Wall Street. Alphabet, Amazon, Apple – dazu Tesla und vielleicht noch ein Tech-Nebenwert aus Kalifornien.
Heute sieht das anders aus. Die InvestmentWeek hat die Orderdaten führender Onlinebroker wie Trade Republic, Scalable Capital, Comdirect, Consorsbank und Maxblue ausgewertet.
Das Ergebnis zeigt: In den Depots deutscher Anleger zieht wieder ein, was einst als langweilig galt – und heute für Stabilität, Sicherheit und geopolitisches Momentum steht.
Platzhirsch im neuen Bunkerboom: Rheinmetall
Der klare Gewinner unter den Einzelaktien ist Rheinmetall. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern, der Leopard-Panzer mit Herzstücken versorgt und weltweit Exportgenehmigungen einholt, liegt bei nahezu allen Brokern unter den Top 3 – bei manchen sogar auf Platz 1.
Besonders deutlich fällt das Bild bei Consors aus: Dort war Rheinmetall im ersten Halbjahr 2025 sogar beliebter als Nvidia. Auch bei Comdirect und Maxblue mischt das Unternehmen ganz oben mit – oft in Begleitung zweier anderer Verteidigungswerte: Renk Group und Hensoldt.

Die InvestmentWeek sieht darin einen klaren Trend: Der NATO-Beschluss, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen, hat die Wahrnehmung von Waffenproduzenten in den Depots fundamental verändert.
Tech bleibt – aber mit Kratzern
Die großen US-Tech-Titel sind noch da – aber ihr Nimbus ist angekratzt. Nvidia dominiert weiterhin bei Trade Republic und Scalable, doch schon auf Platz zwei und drei folgen mit Rheinmetall oder Allianz plötzlich deutsche Blue Chips.
Apple und Tesla hingegen verlieren. Letzterer Konzern hat in Euro gerechnet fast 37 % gegenüber Ende 2024 eingebüßt – der Abstieg vom Wachstumshelden zur Börsen-Enttäuschung verunsichert viele. Selbst der angekündigte Robo-Taxi-Launch verpuffte an der Börse.
Ähnlich schwach: Apple mit einem Minus von 26 % seit Jahresbeginn. Bei vielen Brokern hat sich der iPhone-Konzern nicht mehr unter den Top 5 halten können – ein Signal dafür, dass Tech alleine nicht mehr als Wachstumsstory reicht.
Banken, Versorger, Versicherer – das neue Fundament
Was auffällt: Neben der Rüstungsindustrie feiern auch klassische Industriewerte eine Renaissance. Allianz, Deutsche Bank, Siemens Energy, Thyssenkrupp – allesamt alte Bekannte an den deutschen Börsen, gewinnen neue Bedeutung in Anlegerportfolios.
Die Konsolidierung der Zinslandschaft, stabile Dividenden und politische Rückenwinde – etwa bei Energiethemen – machen diese Werte wieder attraktiv.

Scalable Capital tanzt aus der Reihe
Während die Mehrheit der Neobroker-Kunden deutscher Einzelwerte aufrüsten, zeigt sich bei Scalable ein anderes Bild.
Der Münchner Anbieter meldet eine Konzentration auf die „Glorreichen Sieben“: Alphabet, Amazon, Apple – gefolgt von Microsoft, Meta und dem US-Quantenwert D-Wave Quantum. Deutsche Werte wie Rheinmetall tauchen hier erst deutlich später auf.
Die InvestmentWeek sieht hier zwei mögliche Erklärungen: Zum einen die stärkere ETF-Orientierung bei Scalable-Kunden, zum anderen ein überdurchschnittlich technikaffines, eher US-orientiertes Publikum.
Asien auf dem Radar – besonders bei Trade Republic
Ein interessanter Nebentrend: Chinesische Werte tauchen vermehrt auf – allerdings fast ausschließlich bei Trade Republic. Dort liegen BYD und Xiaomi im ersten Halbjahr 2025 mit +48 % und +24 % im Plus.
Ein starkes Signal für einen selektiven Asien-Optimismus, der andernorts nicht in dieser Form beobachtet werden kann.
Europas Mega-Aktien verlieren Glanz
Während die Deutschen deutsche Aktien wiederentdecken, verschwinden einige frühere Favoriten aus dem Fokus. ASML – 2023 noch hochgejubelt – taucht in keinem Broker-Ranking mehr unter den Top-Titeln auf. Noch härter trifft es Novo Nordisk.
Nach einer Prognosesenkung im Dezember 2024 hat der dänische Pharmakonzern rund 50 % an Börsenwert verloren – allein 30 % im laufenden Jahr. Trotzdem hält sich bei Scalable und Comdirect ein harter Kern an optimistischen Investoren.
Die Heimat ist zurück – aber nicht aus Nostalgie
Was lange als unsexy galt, wird plötzlich wieder geliebt: Rüstungswerte, Industriekonzerne, Banken. Nicht aus Sentimentalität, sondern aus Überzeugung. Die InvestmentWeek erkennt in den Depots deutscher Anleger ein rationales Umschwenken: Weg vom reinen Wachstumsrausch, hin zu Substanz, Dividende und strategischer Sicherheit.
Es ist kein Abschied von Tech – aber ein Ende der Tech-Allmacht. Die neuen Lieblingsaktien der Deutschen sind nicht die nächsten Google. Sondern die nächsten – Rheinmetall.
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