Wenn ein Hegemon abtritt, hinterlässt er ein Vakuum. In Washington aber ist nichts zufällig. Zwei namhafte Autoren legen nahe: Trumps Rückzugspolitik ist kein Unfall, sondern Strategie – mit weitreichenden Folgen für Europa, China und die Weltwirtschaft.
Der große Bruch
Die Vereinigten Staaten ziehen sich zurück. Aus internationalen Verpflichtungen. Aus multilateralen Abkommen. Aus ihrer Rolle als globale Schutzmacht. Für viele Beobachter wirkt dieses Verhalten erratisch, impulsiv, irrational.
Besonders unter Donald Trump, dessen Außenpolitik oft eher wie ein Twitter-Feed denn wie Staatsräson anmutet. Doch was, wenn genau darin die Strategie liegt?
In einem Essay analysieren der Schweizer Unternehmer Konrad Hummler und der geopolitische Berater Ivan Adamovich die These, dass hinter der vermeintlichen Willkür ein kalkulierter Plan steckt: Die USA wollen sich systematisch aus ihrer Rolle als weltweiter Ordnungshüter lösen – nicht aus Schwäche, sondern aus Einsicht.
Von der Supermacht zur Großmacht
Im Zentrum der Analyse steht ein harter Befund: Die Vereinigten Staaten streben nicht länger nach globaler Vorherrschaft. Der Preis, den Washington für den Erhalt seiner Hegemonie zahlt – militärisch, diplomatisch, wirtschaftlich – ist nicht mehr tragbar.
Der neue Kurs lautet: Rückzug und Re-Fokussierung. Ziel sei nicht Isolationismus, sondern eine pragmatische Neuordnung der Prioritäten.
Trump war dabei nur der erste, der die politischen Tabus offen gebrochen hat: Er stellte NATO-Bündnispflichten infrage, trat aus internationalen Klima- und Handelsabkommen aus, provozierte gezielt Handelskonflikte. Disruption, so die Autoren, ist dabei kein Kollateralschaden, sondern bewusstes Werkzeug zur Auflösung alter Strukturen.

Weltordnung in Schieflage
Die Folgen sind bereits spürbar. Die geopolitische Bühne zeigt sich zersplittert wie lange nicht. Ohne verlässliche US-Führung bröckeln alte Allianzen.
In Europa wächst das Gefühl von Unsicherheit, in Asien nutzt China das entstandene Machtvakuum gezielt zur Expansion. Die Autoren entwerfen drei mögliche Zukunftsszenarien:
- Blockbildung: Die Welt zerfällt in rivalisierende Machtzentren – angeführt von USA und China.
- Multilaterale Renaissance: Ein neues, gleichberechtigteres Miteinander ersetzt das alte Hegemonialmodell.
- Chaos: Instabilität, Protektionismus, neue Konflikte – eine unübersichtliche Welt ohne verlässliche Ordnung.
Europa unter Druck
Gerade Europa muss sich in dieser neuen Weltordnung neu aufstellen. Längst ist klar: Die Zeit des sicherheitspolitischen Vertrauens auf Washington ist vorbei. „Eigenverantwortung“ lautet das Gebot.
In der Praxis heißt das: höhere Verteidigungsausgaben, wirtschaftliche Unabhängigkeit – und strategische Resilienz in einer Welt, in der kein amerikanischer Präsident mehr bereit ist, das Sicherheitsnetz kostenlos zu spannen.
Der Essay plädiert daher für mehr strategische Autonomie – wirtschaftlich wie politisch. Wer in Zukunft bestehen will, so die zentrale Botschaft, darf sich nicht mehr auf starre Allianzen oder verlässliche Supermächte verlassen, sondern muss flexibel, eigenständig und robust agieren.
Von der Außenpolitik zur Anlagestrategie
Was das für Unternehmen und Investoren bedeutet? Auch in der Wirtschaft gilt: Die Welt ist volatiler geworden. Risiken sind nicht mehr nur finanzieller, sondern zunehmend geopolitischer Natur.
Der Rückzug der USA verändert Rohstoffmärkte, Lieferketten, Investitionsflüsse. Wer sich in dieser Welt behaupten will, braucht Strategien, die mit Unsicherheit umgehen können – und einen langen Atem.
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