18. Dezember, 2025

Börse

Alles eingepreist – oder nicht? Die drei Dax-Szenarien für 2026

Die Gewinne stagnieren, der Index steigt – und die Bewertung läuft davon. 2026 wird entscheiden, ob der Dax teuer bleibt, günstiger wird oder sich weiter von seinen Fundamentaldaten entfernt.

Alles eingepreist – oder nicht? Die drei Dax-Szenarien für 2026
Analysten erwarten wieder steigende Gewinne im Dax. Doch ob das die aktuelle Bewertung rechtfertigt, hängt vom Kursverlauf 2026 ab.

Der Dax ist schneller gelaufen als seine Gewinne. Während der deutsche Leitindex im laufenden Jahr um gut 20 Prozent zugelegt hat, traten die Unternehmensgewinne praktisch auf der Stelle. Was zunächst wie ein Schönheitsfehler aussieht, ist in Wahrheit der zentrale Bewertungshebel für das Börsenjahr 2026.

Denn eines ist klar: Der Dax ist teurer geworden – nicht absolut, sondern relativ zu dem, was seine Unternehmen verdienen. Ob daraus ein Problem wird, hängt davon ab, welchen Weg der Index im kommenden Jahr einschlägt.

Gewinne haben die Erwartungen klar verfehlt

Vor zwölf Monaten gingen Analysten noch von einem kräftigen Gewinnsprung aus. Im Konsens sollten die 40 Dax-Konzerne ihre Nettogewinne 2025 um rund zwölf Prozent steigern. Übrig geblieben ist davon kaum etwas.

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Nach Berechnungen des Handelsblatt Research Institute auf Basis von Bloomberg-Daten werden die Dax-Unternehmen im laufenden Jahr zusammen rund 113 Milliarden Euro verdienen. Im Vorjahr waren es 111 Milliarden Euro. Das entspricht faktisch einer Stagnation.

Ursachen gibt es mehrere. Der starke Euro belastete die Exportkonzerne, die deutsche Konjunktur kam nicht vom Fleck, und der Handelsstreit mit den USA sorgte für zusätzliche Unsicherheit. Monat für Monat wurden die Gewinnerwartungen nach unten revidiert.

Der Index ignoriert die Gewinnflaute

An der Börse spielte das kaum eine Rolle. Trotz stagnierender Gewinne stieg der Dax deutlich. Die Konsequenz: Die Bewertung ist nach oben gerutscht.

Auf Basis der Gewinne der vergangenen vier Quartale liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis aktuell bei 17,3. Im historischen Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre lag es bei 14,3. Der Dax wird damit rund 20 Prozent höher bewertet als üblich.

Auch der Blick nach vorn relativiert das Bild nur begrenzt. Auf Basis der für die kommenden vier Quartale erwarteten Gewinne ergibt sich ein KGV von etwa 15,5 – ebenfalls rund 20 Prozent über dem langfristigen Mittel.

Der Markt preist also bereits ein spürbares Gewinnwachstum ein.

2026 lebt von optimistischen Annahmen

Der Konsens der Analysten ist klar: 2026 sollen die Gewinne der Dax-Konzerne um rund 13 Prozent steigen. Die Argumente klingen plausibel. Die Euro-Aufwertung könnte an Dynamik verlieren, die deutsche Wirtschaft wieder wachsen, politische Unsicherheit abnehmen.

Doch nicht alle teilen diesen Optimismus. Commerzbank-Analyst Andreas Hürkamp hält die Prognosen für zu ambitioniert. Der Euro sei weiterhin stark, die US-Zölle für deutsche Exporte lägen im Schnitt bei rund 14 Prozent. Beides dürfte die Gewinne auch 2026 bremsen.

Hürkamp rechnet eher mit einem Gewinnwachstum von sechs bis acht Prozent. Das ist ordentlich – aber deutlich weniger als im Markt eingepreist.

Genau hier beginnt die Bewertungsfrage.

Szenario eins hält die Bewertung auf dem aktuellen Niveau

Im ersten Szenario erfüllt sich der Optimismus der Analysten. Die Gewinne steigen 2026 tatsächlich um rund 13 Prozent. Der Dax legt im gleichen Tempo zu.

In diesem Fall bliebe die Bewertung in etwa dort, wo sie heute steht. Aktien wären weder günstiger noch teurer als aktuell – sie blieben schlicht teuer. Die bestehende Bewertungsschere würde nicht weiter aufgehen, sich aber auch nicht schließen.

Für Anleger wäre das ein Szenario moderater, aber nicht risikoloser Renditen. Die Luft nach oben wäre begrenzt, Rückschläge blieben jederzeit möglich. Der Dax würde auf hohem Bewertungsniveau weiterlaufen.

Szenario zwei sorgt für Entspannung bei den Kennzahlen

Im zweiten Szenario steigen die Gewinne, der Dax jedoch nicht – oder nur gering. Der Index stagniert oder gibt sogar nach, während die Unternehmen operativ zulegen.

Das hätte eine klare Konsequenz: Die Bewertung würde sinken. Die Schere zwischen Kursen und Gewinnen schlösse sich ganz oder teilweise. Ein solches Szenario wäre aus fundamentaler Sicht gesund.

Es würde dem Markt Zeit verschaffen, die Gewinne „einzuholen“, die Kurse bereits vorweggenommen haben. Für langfristige Anleger könnte genau das die Grundlage für attraktivere Einstiegschancen sein.

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Allerdings ist dieses Szenario politisch und psychologisch anspruchsvoll. Es setzt voraus, dass Investoren bereit sind, über Monate oder Quartale hinweg Seitwärtsmärkte zu akzeptieren – ohne die Hoffnung auf schnelle Kursgewinne.

Szenario drei treibt die Überbewertung weiter

Das dritte Szenario ist das riskanteste – und paradox genug nicht ausgeschlossen. Der Dax steigt erneut kräftig, etwa um 20 Prozent, wie in den vergangenen Jahren. Die Gewinne wachsen zwar, aber nicht annähernd im gleichen Tempo.

Die Folge wäre eine weiter auseinandergehende Bewertungsschere. Der Dax wäre deutlich teurer als heute, gemessen an historischen Maßstäben klar überbewertet.

Ein solches Szenario ließe sich nur rechtfertigen, wenn sich die Perspektiven für 2027 deutlich aufhellen würden. Anleger müssten beginnen, noch weiter in die Zukunft zu schauen und deutlich höhere Gewinne einzupreisen.

Aktuell fehlt dafür die Fantasie. Weder die Konjunktur noch die geopolitische Lage liefern belastbare Argumente für einen solchen Bewertungssprung.

Die Richtung entscheidet, nicht das Niveau

Entscheidend für 2026 ist weniger die absolute Höhe des Dax als seine Relation zu den Gewinnen. Der Markt hat in den vergangenen Jahren Vorschusslorbeeren verteilt. Nun muss geliefert werden.

Steigen die Gewinne kräftig, bleibt die hohe Bewertung tragfähig. Bleibt der Gewinnanstieg moderat, wird der Dax entweder teurer – oder er korrigiert. Ein Weiter-so ohne Fundamentaldaten wird zunehmend unwahrscheinlicher.

Der Dax ist nicht in einer Blase. Aber er ist auch kein Schnäppchen. 2026 wird zeigen, ob der Index seine Bewertung rechtfertigen kann – oder ob der Markt gezwungen ist, wieder näher an die Realität der Gewinne heranzurücken.

Die spannendste Frage lautet deshalb nicht, wie hoch der Dax steigt. Sondern, wie viel Gewinn er dafür mitbringt.

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