Ein Bus, der Geschichte schreibt
Montagmorgen, Gaza-Streifen. Ein weißer Bus des Roten Kreuzes rollt durch den Staub. Drinnen sitzen 20 Menschen, ausgezehrt, still, aber lebend. Zwei Jahre waren sie verschwunden – jetzt sind sie frei.
Die Hamas hat alle noch lebenden israelischen Geiseln an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben. In Israel breitet sich Erleichterung aus, aber auch Skepsis. Zu groß war das Leid, zu tief das Misstrauen.
In Tel Aviv stehen Familien an Straßenrändern, halten Fotos hoch, Kerzen, Flaggen. Für sie ist dieser Tag mehr als ein politisches Ereignis – er ist das Ende eines Albtraums.
Der Deal hinter der Freiheit
Die Freilassung ist Teil eines Friedensplans, den US-Präsident Donald Trump vermittelt hat. Israel entlässt im Gegenzug rund 2.000 palästinensische Gefangene, darunter 250, die wegen Terroranschlägen zu lebenslanger Haft verurteilt waren.
Was nach einem historischen Kompromiss klingt, ist in Wahrheit ein brisanter Tausch. Premierminister Benjamin Netanjahu nennt es ein „historisches, aber schmerzhaftes Ereignis“. In Israel gehen die Meinungen auseinander. Manche feiern das Ende der Geiselhaft, andere sehen darin ein gefährliches Signal der Schwäche.
Trumps Triumph – und Netanjahus Zweifel
Trump inszeniert den Moment als diplomatischen Durchbruch. An Bord der Air Force One sagt er zu Reportern: „Der Krieg ist zu Ende.“ Worte, die schwerer wiegen, als sie klingen. Netanjahu bleibt vorsichtiger. In einer Videoansprache warnt er vor zu viel Euphorie:
„Einige unserer Feinde versuchen, sich zu sammeln, um wieder zuzuschlagen.“
Noch hält Israels Armee etwa die Hälfte des Gazastreifens besetzt – trotz vereinbarter Waffenruhe. Frieden auf Papier ist eben nicht Frieden auf der Straße.
Scharm el-Scheich: Bühne für den großen Moment
Trump reist am Vormittag nach Israel, trifft Angehörige der Geiseln, hält eine Rede vor der Knesset. Am Nachmittag fliegt er weiter nach Scharm el-Scheich, wo die Unterzeichnung seines „Friedensplans“ gefeiert wird.
Über 20 Staats- und Regierungschefs reisen an, auch Bundeskanzler Friedrich Merz. „Alle jubeln gleichzeitig“, sagt Trump. Ein Satz, den man im Nahen Osten selten hört.

Wunden, die bleiben
In Reim, einem Militärlager an der Grenze zu Gaza, treffen die Befreiten auf ihre Familien. Es sind herzzerreißende Szenen – Freude, Schock, Sprachlosigkeit.
Viele der Geiseln wurden gefoltert, hungerten monatelang, litten unter Isolation. Ärzte berichten von schwerem psychischen Trauma. „Ein Weg der Heilung beginnt“, sagt Netanjahu. Doch Heilung braucht Zeit – und Vertrauen.
Gaza in Trümmern
Während Israel feiert, steht Gaza am Rand des Zusammenbruchs. Nach UN-Angaben wurden mehr als 67.000 Menschen getötet. Ganze Stadtviertel sind zerstört, Wasser- und Stromversorgung kaum existent.
600 Lastwagen mit Hilfsgütern dürfen täglich einfahren – genug, um das Nötigste zu sichern, nicht genug, um zu leben. „Wir versuchen zu überleben, nicht zu leben“, sagt ein Arzt in Khan Yunis am Telefon. Israel erlaubt erste Reparaturen an Wasserleitungen und Bäckereien. Doch es wird Jahre dauern, bis der Küstenstreifen wieder bewohnbar ist.
Der brüchige Frieden
Die Vereinbarung steht auf wackligen Beinen. Zwei zentrale Fragen bleiben ungelöst: die Entwaffnung der Hamas und der vollständige Rückzug der israelischen Armee. Solange die Hamas Israel das Existenzrecht abspricht und Israel auf Sicherheit um jeden Preis pocht, bleibt der Frieden eine Illusion.
„Das ist kein Ende, sondern eine Pause“, sagt ein ehemaliger israelischer Unterhändler im Fernsehen. „Und niemand weiß, wie lange sie hält.“
Zwei Jahre Krieg – und kein wirkliches Ende
Der Gaza-Krieg begann mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 – dem blutigsten Tag in Israels Geschichte. 1.200 Menschen starben, über 250 wurden verschleppt. Israels Antwort: massive Luftangriffe, Bodenoffensive, Zerstörung.
Nun also ein Waffenstillstand, vielleicht ein Neuanfang. Aber wer die Region kennt, weiß, wie trügerisch solche Momente sind.
