Wenn eine Luftfahrtmesse zum Schaulaufen der Superlative wird, reagieren die Börsen für gewöhnlich begeistert. Doch ausgerechnet an einem Tag, an dem Airbus und Boeing neue Großaufträge verkünden, notieren beide Aktien im Minus. Die Rallye bleibt aus – und die InvestmentWeek geht der Frage nach, warum Anleger trotz neuer Bestellungen auf die Bremse treten.

Emirates setzt Boeing unter Druck – und Airbus auf Diät
Dass die Messe in Dubai seit Jahren als Bühne für politisch aufgeladene Großbestellungen gilt, zeigte sich auch diesmal. Emirates, der Branchenriese aus Dubai, verteilt seine Aufträge mit chirurgischer Präzision – und einer klaren Botschaft an die Industrie.
Während Boeing einen neuen Auftrag über 65 Maschinen des Langstreckenmodells 777X einstreicht, muss Airbus mit einer vergleichsweise kleinen Bestellung leben: Nur acht Flugzeuge des Typs A350-900 schafft Emirates diesmal an. Von der lange erwarteten Mega-Order für den größeren A350-1000 fehlt jede Spur. Aus Airbus-Sicht eine geradezu symbolische Demütigung – denn der 1000er war seit zwei Jahren als möglicher Großauftrag gehandelt worden.
Der Grund für die Zurückhaltung ist bekannt, und Emirates-Chef Tim Clark wiederholt ihn mit chirurgischer Präzision: Die Rolls-Royce-Triebwerke des A350-1000 seien nicht leistungsfähig genug und zu wartungsintensiv. Bereits in der Vergangenheit hatte Clark den britischen Hersteller öffentlich kritisiert. Dass er nun erneut eine Boeing-Großraumflotte bevorzugt, ist ein erneuter Schlag für Airbus – und ein Warnsignal an Rolls-Royce, das im Premiumsegment an Reputation verliert.
Flydubai bricht mit Tradition – und füttert trotzdem beide Hersteller
Überraschend deutlich fällt auch die Einkaufsstrategie von Flydubai aus. Der staatliche Billigflieger aus Dubai, der bislang ausschließlich Boeing-Jets im Einsatz hatte, gibt eine spektakuläre Diversifizierung bekannt: 150 Airbus A321neo, ein Rekordauftrag für die Europäer.
Doch nur einen Tag später zieht Flydubai die nächste Karte: 75 Boeing 737 Max, ergänzt durch Optionen für weitere 75 Maschinen. Der Listenpreis für die festen Bestellungen: rund 13 Milliarden US-Dollar.

Bemerkenswert ist dabei weniger die Summe als der Zeitpunkt. Die 737 Max-Serie kämpft weiterhin mit Imageproblemen, und Boeing liegt bei der 777X sieben Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Und dennoch greifen die Golf-Carrier zu – aus strategischem Kalkül, aber auch mangels Alternativen in bestimmten Segmenten.
Warum die Aktien fallen, obwohl die Bestellungen steigen
Auf Messebühnen glänzen die Zahlen – an der Börse wirken sie matt. Airbus verliert im XETRA-Handel 0,47 Prozent und notiert bei 203,25 Euro. Boeing gibt sogar 3,43 Prozent nach.
Der Grund liegt weniger in den Aufträgen als in der Erwartungshaltung der Märkte.
Während Großbestellungen in den Emiraten inzwischen fast schon als Pflichtprogramm gelten, ringen beide Flugzeugbauer mit tiefsitzenden strukturellen Problemen. Für Investoren zählen deshalb nicht die Listenpreise der Deals, sondern drei andere Faktoren:
- Lieferfähigkeit: Boeing ist beim 777X-Projekt weit hinter dem Zeitplan. Airbus kämpft mit Engpässen in der Lieferkette und notorischen Verzögerungen bei der A320neo-Familie.
- Rabattkultur: Kaum ein Auftrag wird zum Listenpreis verkauft. Hinter den Milliardenbeträgen stehen oft Margen, die deutlich unter den Erwartungen liegen.
- Technische Risiken: Vom 737-Max-Erbe bis zu den Triebwerksproblemen von Rolls-Royce – Investoren fürchten Nachbesserungs- und Haftungskosten.
So erklärt sich, warum ein 13-Milliarden-Auftrag in Dubai heute nur noch begrenzt Begeisterung auslöst: Für institutionelle Anleger zählt inzwischen vor allem die Frage, ob Airbus und Boeing über die kommenden Jahre genügend Kapazität und technische Stabilität liefern können.
Was dieser Tag wirklich zeigt
Die Luftfahrtbranche erlebt gerade einen der größten Umbrüche seit Jahrzehnten: geopolitische Spannungen, stagnierende Lieferketten, politische Einflussnahme und ein globaler Run auf sparsamere Triebwerke. Die Golfstaaten spielen dieses Umfeld meisterhaft aus – als Kunden, als Machtfaktor und als Verhandlungspartner.
Emirates und Flydubai zeigen in Dubai eines sehr klar:
Sie wissen, dass Airbus und Boeing sie brauchen – und sie nutzen es aus.
Für Boeing ist der Tag trotz Kursminus ein wichtiger Lichtblick: Die 777X bleibt im Rennen, auch wenn sie technisch strauchelt. Airbus wiederum kassiert eine Warnung, die in Toulouse deutlich zu hören sein dürfte: Wenn Rolls-Royce seine Triebwerksprobleme nicht in den Griff bekommt, wird der A350-1000 kaum mehr Chancen im Premiumsegment haben.
Ein Schluss ohne Beschönigung
Die Bestellungen aus Dubai sind laut, die Kurse an den Börsen leise. Und genau das beschreibt den Zustand der Branche präziser als jede PR-Mitteilung. Für Airbus und Boeing beginnt die eigentliche Arbeit erst nach der Messe – wenn die Produktionskapazitäten hochgeschraubt, Triebwerksprobleme gelöst und Jahrzehnte alte Projektverzögerungen aufgearbeitet werden müssen.
Große Deals sind wichtig. Aber sie entscheiden nicht mehr darüber, wer diese Industrie führt. Lieferfähigkeit tut es.


