Der Himmel wird eng: 43.400 neue Jets erwartet
Kurz vor dem Start der Paris Air Show präsentiert Airbus eine bemerkenswerte Prognose: Die weltweite Nachfrage nach neuen Flugzeugen wird sich in den kommenden zwei Jahrzehnten nahezu verdoppeln.
Konkret rechnet der DAX-Konzern mit 43.400 neuen Passagier- und Frachtmaschinen bis 2044 – ein Zuwachs von rund 1.000 Flugzeugen gegenüber der Schätzung des Vorjahres.
Sollte diese Prognose eintreffen, würde der weltweite Bestand von derzeit rund 26.000 Flugzeugen auf über 49.000 Maschinen anwachsen.
Ein Anstieg, der nicht nur den europäischen Flugzeugbauer selbst in eine komfortable Marktposition bringt, sondern auch massive Folgen für Zulieferer, Infrastruktur, Klimapolitik und globalen Handel haben dürfte.
Wachstumsregion Asien: Indien, China und die aufstrebende Mittelschicht
Der wesentliche Treiber der erwarteten Entwicklung: die zunehmende Mobilität der globalen Mittelschicht. Rund 1,5 Milliarden zusätzliche Passagiere mit wachsender Kaufkraft dürften das Wachstum des Luftverkehrs künftig antreiben, schätzt Airbus.
Besonders dynamisch entwickeln sich derzeit der innerindische Markt und die Verkehrsströme innerhalb Asiens – mit einer immer stärkeren Vernetzung chinesischer Metropolen mit den Wirtschaftszentren des Kontinents.
Für Airbus ist diese regionale Verlagerung ein willkommener Trend. Das Unternehmen ist in Asien bereits stark positioniert und kann auf zahlreiche Bestellungen von Airlines aus Indien, China und Südostasien verweisen.
Im Wettbewerb mit dem US-Konkurrenten Boeing eröffnet dies dem europäischen Hersteller zusätzlichen Spielraum.
Schmalrumpfflugzeuge dominieren den Bedarf
Auffällig an der neuen Prognose ist der dominierende Anteil der Schmalrumpfflugzeuge: Etwa 34.250 der neuen Jets – knapp 80 Prozent der Gesamtnachfrage – entfallen laut Airbus auf die Single-Aisle-Kategorie.
Hier sind vor allem die Modelle A320neo und A220 gefragt. Auch Boeings 737 Max wird weiterhin eine gewichtige Rolle spielen, wenngleich das US-Unternehmen zuletzt mit Qualitäts- und Produktionsproblemen zu kämpfen hatte.
Im Segment der Großraumflugzeuge rechnet Airbus mit einer Nachfrage von etwa 9.170 Maschinen, wozu Modelle wie der A350, der A330neo sowie Boeings 787 „Dreamliner“ und die 777X beitragen sollen.
Insgesamt verschiebt sich der Schwerpunkt der Branche damit weiter in Richtung effizienter, mittelgroßer Maschinen mit hoher Flexibilität bei Streckenführung und Reichweite.
Erneuerung trifft Expansion
Ein interessanter Befund der Prognose: Nur rund 44 Prozent der erwarteten Neubestellungen dienen dem Ersatz bestehender Flugzeuge.
Der Großteil der Auslieferungen wird für die Expansion der globalen Flotten benötigt. Dies unterstreicht den anhaltenden Expansionshunger der Branche – trotz Klimadebatten, Nachhaltigkeitsforderungen und geopolitischer Unsicherheiten.
Während Regierungen weltweit über CO₂-Reduktionen, neue Besteuerungsmodelle und alternative Antriebstechnologien diskutieren, setzt der Luftfahrtsektor auf Wachstum.
Alternative Kraftstoffe und effizientere Triebwerke sollen den CO₂-Fußabdruck künftig abmildern, doch ein fundamental schrumpfender Luftverkehr ist in den Modellen der Hersteller aktuell nicht vorgesehen.
Boeing unter Druck – Airbus mit Vorteilen
Die Prognose kommt für Airbus zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt. Boeing kämpft weiterhin mit anhaltenden Produktionsproblemen und Qualitätsmängeln, insbesondere bei der 737 Max und der 787.
Auch die US-Luftfahrtaufsicht FAA hat zuletzt den Druck auf Boeing erhöht. Airbus hingegen profitiert von vergleichsweise stabileren Lieferketten und einem größeren Vertrauen der Airlines in die Lieferfähigkeit des europäischen Herstellers.
Zwar wird Boeing am Wochenende noch seine eigene Marktprognose präsentieren, doch die Ausgangslage ist klar: Airbus geht gestärkt in die Paris Air Show – und hat gute Chancen, dort weitere Großaufträge zu verkünden.
Ein Wachstum, das Risiken birgt
Trotz aller Euphorie bleibt die Frage nach den Grenzen des Wachstums. Flughäfen geraten weltweit an Kapazitätsgrenzen, der Fachkräftemangel in der Luftfahrtindustrie verschärft sich, und die Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit werden lauter.
Zudem könnte der zunehmende Wettbewerbsdruck aus China – etwa durch Hersteller wie COMAC mit dem C919 – in den kommenden Jahren für neue Dynamiken sorgen.
Auch geopolitische Faktoren bleiben ein Unsicherheitsfaktor: Handelskonflikte, politische Spannungen und globale Krisen könnten die Nachfrage jederzeit empfindlich bremsen. Nicht zuletzt sind die langfristigen Folgen möglicher regulatorischer Eingriffe zur Reduktion des Flugverkehrs derzeit kaum kalkulierbar.
Aktienkurs auf hohem Niveau – Konsolidierung auf hohem Plateau
An der Börse spiegelt sich der Optimismus bereits wider. Die Airbus-Aktie notierte Anfang Juni nur knapp unter ihrem bisherigen Allzeithoch von 177,30 Euro.
Nach einer leichten Konsolidierungsphase bleiben die Analysten mehrheitlich positiv gestimmt. Entscheidend für den weiteren Kursverlauf bleiben die Lieferkettenstabilität sowie mögliche Neuaufträge auf der Paris Air Show.
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