06. Mai, 2025

Politik

AfD im Staatsdienst – Wenn der Verfassungsschutz zur Personalfrage wird

Nach der Einstufung der AfD als rechtsextrem wächst der Druck auf Beamte mit Parteibuch. Besonders bei der Polizei stehen erste Überprüfungen an. 193 Disziplinarverfahren laufen bereits – und das dürfte nur der Anfang sein.

AfD im Staatsdienst – Wenn der Verfassungsschutz zur Personalfrage wird
Nach der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ fordern Länder wie Hessen und Bayern nun systematische Überprüfungen von Beamten mit AfD-Mitgliedschaft.

Die Linie ist überschritten

Seit der Verfassungsschutz die AfD nicht mehr als Verdachtsfall, sondern als gesichert rechtsextremistisch einstuft, ist etwas gekippt. Nicht nur in der politischen Debatte, sondern im Beamtenapparat selbst.

Was lange eine theoretische Frage war, wird jetzt zur konkreten Maßnahme: Dürfen Polizisten, Verwaltungsbeamte oder Lehrer Mitglied in einer Partei sein, die laut Staatsschutz systematisch gegen die Verfassung arbeitet?

Hessen und Bayern sagen: Nicht ohne Prüfung. Wer im Staatsdienst steht, soll jetzt daraufhin durchleuchtet werden, ob er mit seiner Parteizugehörigkeit noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Das klingt nüchtern – ist aber in Wahrheit ein politischer Dammbruch.

Beamte auf dem Prüfstand

„Unsere Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssen die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für unsere Verfassung einstehen“, sagt Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). Auch Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) wird deutlich:

„Wer das nicht versteht, fliegt raus.“

Das klingt nach klarer Kante – doch der Fall ist komplizierter. Denn Parteimitgliedschaft ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, auch für Beamte.

Problematisch wird es erst, wenn der Inhalt der Parteiarbeit in offener Gegnerschaft zum Grundgesetz steht. Und genau das sieht der Verfassungsschutz bei der AfD jetzt gegeben.

193 Verfahren – mit Dunkelziffer

Wie ernst das Problem bereits ist, zeigt eine Umfrage von RTL und Stern. In ganz Deutschland laufen aktuell mindestens 193 Disziplinarverfahren gegen Polizisten mit möglichem extremistischem Hintergrund.

Die AfD ist nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz „menschenverachtend geprägt“ – erstmals wird damit eine bundesweit relevante Partei als verfassungsfeindlich eingestuft.

Die Zahlen dürften deutlich höher liegen – denn Länder wie Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern liefern entweder keine Daten oder weisen darauf hin, dass sie keine politische Zuordnung treffen.

Anders gesagt: Die Republik weiß nicht genau, wie tief das Problem reicht. Und genau das erhöht den Druck, es jetzt systematisch zu untersuchen.

Die Gretchenfrage: Parteibuch oder Gesinnung?

Die politische Mitgliedschaft eines Beamten ist keine reine Privatsache, wenn sie Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem Staat begründet. Das macht die Sache heikel.

Denn nicht jeder, der ein AfD-Parteibuch hat, ist ein Extremist – aber die Grenze zwischen politischer Meinung und demokratiefeindlicher Haltung verschwimmt bei der AfD zunehmend.

Der Staat gerät so in ein Dilemma: Reagiert er zu spät, verliert er Vertrauen. Reagiert er zu forsch, gerät er in den Verdacht der politischen Gesinnungsschnüffelei.

Was die Innenminister planen

Die Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven wird zur Schaltzentrale für den weiteren Umgang mit der AfD. Bremens Senator Ulrich Mäurer (SPD) kündigte an, dass dort auch Vertreter des Verfassungsschutzes geladen sind.

Vertrauenskrise im Staatsdienst: Gerade in sicherheitsrelevanten Berufen wie Polizei oder Verfassungsschutz kann ein extremistisches Weltbild zur systemischen Gefahr werden.

Im Raum steht nicht nur die Beamtenfrage, sondern auch ein mögliches Parteiverbot – ein Schritt, der selbst unter Juristen als heikel gilt.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) fordert, diesen Schritt jetzt konsequent zu prüfen. Andere wie Hamburgs Innensenator Andy Grote mahnen zur Vorsicht. Denn ein Verbotsverfahren muss wasserdicht sein – sonst stärkt es am Ende den politischen Gegner.

Die AfD kämpft zurück

Die Parteiführung zeigt sich kämpferisch. In einer gemeinsamen Erklärung sprechen Alice Weidel und Tino Chrupalla von einem „schweren Schlag gegen die Demokratie“. Man wolle juristisch gegen die Einstufung vorgehen.

Der Verfassungsschutz verfüge derzeit nicht einmal über eine reguläre Leitung, betonen sie – und zweifeln die Legitimität der Entscheidung an.

Doch in den Landesbehörden beginnt längst die praktische Umsetzung. Die Parteizugehörigkeit wird nicht mehr nur als politische Information betrachtet, sondern als potenzieller Risikofaktor für die Verfassungsloyalität. Das verändert den Umgang – und möglicherweise auch Karrieren.

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