08. September, 2025

Politik

Acht Jahre im Amerika von Donald Trump – eine Reportage aus dem Inneren der MAGA-Welt

Ein deutscher Reporter begleitet den Aufstieg, Fall und die Rückkehr des umstrittensten Politikers der westlichen Welt. Zwischen Wahlkampf-Hallen, konservativen Frauengruppen und den Widersprüchen einer Bewegung, die Amerika bis heute prägt.

Acht Jahre im Amerika von Donald Trump – eine Reportage aus dem Inneren der MAGA-Welt
Trotz vier Strafverfahren und zahlreicher Skandale: 77,3 Millionen Amerikaner wählten Donald Trump 2024 zurück ins Amt.

„Er hat mir wieder eine Stimme gegeben“

Es ist ein schwüler Abend in Tennessee, als mir eine Frau die Hand drückt, fest, mit entschlossenem Blick. Sie heißt Carol, Mitte fünfzig, zweifache Mutter, arbeitet in einer Autowerkstatt. Neben uns tobt eine Halle voller Trump-Anhänger, rote Kappen, Flaggen, Sprechchöre.

„Ich habe nie gedacht, dass mich ein Präsident je ernst nimmt“, sagt sie. „Aber dieser Mann da vorne – er redet so, wie wir reden.“

Das war 2018, mein erstes Jahr als Korrespondent in den Vereinigten Staaten. Damals drohte Trump mit Strafzöllen auf deutsche Autos, weswegen ich in den Süden reiste, zu Händlern und Schraubern, die von BMW und Mercedes lebten. Die Sorge um Importsteuern führte mich in eine Welt, die sich bald um viel mehr drehen sollte als um Handelsfragen.

Von Zöllen zur Zerrissenheit

Im Rückblick wirken die Autozölle fast harmlos. Inzwischen hat Trump sie umgesetzt – neben einer Fülle weiterer Maßnahmen, die Europa und Asien gleichermaßen herausfordern.

MAGA ist keine Randerscheinung: Mit fast 90 Prozent Rückhalt bei den Republikanern prägt Trump seine Partei bis heute.

Doch die eigentliche Erfahrung jener Abende in Nashville und später in Ohio, Florida oder Arizona war eine andere: das Eintauchen in eine politische Kultur, die nicht auf Argumente hört, sondern auf Zugehörigkeit.

In den Hallen, wo Trump spricht, geht es selten um konkrete Politik. Es geht um das Gefühl, gesehen zu werden. Carol und viele andere, mit denen ich sprach, haben nie aufgehört, das zu betonen:

„Er kämpft für uns, und er lässt sich nicht kleinmachen.“

Die Wucht der Frauen

Besonders überrascht hat mich, wie viele Frauen Trump unterstützen. 42 Prozent von ihnen stimmten bei der letzten Wahl für ihn. Als Brett Kavanaugh 2018 für den Supreme Court nominiert wurde und Missbrauchsvorwürfe die Debatte bestimmten, gründeten Frauenbewegungen, die für ihn kämpften. Auf ihren Plakaten stand „Women for Kavanaugh“.

Ich war damals überzeugt, dass Feminismus und Trump sich ausschließen. Doch die Gespräche mit diesen Frauen belehrten mich eines Besseren. Sie verstanden ihre Unterstützung nicht als Unterwerfung, sondern als Auflehnung – gegen ein Establishment, das sie lange ignoriert hatte.

Zwischen Hass und Solidarität

Trump-Rallys sind unberechenbar. Einmal, hochschwanger während der Pandemie, versuchte ein Mann mir die Maske vom Gesicht zu reißen. Sekunden später stellten sich andere Trump-Anhänger schützend vor mich. „Lass sie in Ruhe“, rief einer. Diese Momente zeigen, wie widersprüchlich die Bewegung ist: aggressiv und fürsorglich, zerstörerisch und solidarisch.

42 Prozent der Frauen gaben Trump ihre Stimme – ein Beleg dafür, dass sein Rückhalt weit über das Bild vom wütenden weißen Mann hinausgeht.

Europas Spiegelbild

Aus Deutschland bekam ich oft Nachrichten: „Wie hältst du das aus?“ – als ob Trump eine ferne Anomalie wäre. Doch vieles, was ich in Amerika beobachtete, rollte längst auf Europa zu: die erbitterten Migrationsdebatten, das Misstrauen gegenüber Medien, die Polarisierung der Parteienlandschaft.

Wer MAGA belächelt, verkennt, dass ähnliche Dynamiken längst auch hierzulande wirken – die AfD lebt vom gleichen Gefühl der Missachtung.

Der globale Herdentrieb

Trotz Skandalen und Prozessen strömen internationale Staats- und Regierungschefs ins Weiße Haus. Trump ist kein isolierter Außenseiter, er ist der Fixpunkt einer neuen geopolitischen Realität. Es gibt keinen globalen Boykott, sondern einen globalen Trump-Herdentrieb.

Was ihn so gefährlich macht, ist nicht allein sein Stil. Es ist die Effizienz, mit der er Institutionen umbaut, Loyalitäten schafft und Politik zur Show macht. Acht Jahre Beobachtung haben mir gezeigt: Trump ist weniger das Problem als das Symptom – Ausdruck einer Gesellschaft, die sich vom alten Konsens längst verabschiedet hat.

Was bleibt

Heute, nach fast einer Dekade in den USA, sehe ich Trump nicht mehr als groteske Ausnahme. Er ist ein Politiker, der spaltet und bindet zugleich. Er ist der Spiegel einer Nation, die ihre eigene Zerrissenheit nicht mehr überspielen kann.

Und er bleibt gefährlich, gerade weil er so verstanden wird: nicht als Clown, sondern als Stimme. „Er hat mir wieder eine Stimme gegeben“, sagte Carol damals in Tennessee. Acht Jahre später ist dieser Satz der Schlüssel, um den Trumpismus zu begreifen – in Amerika wie in Europa.

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