10. Juni, 2025

Märkte

Abstieg mit Ansage – warum Zeitarbeit zur Konjunkturfalle wird

Der Kampf um Platz eins im deutschen Zeitarbeitsmarkt ist entschieden – doch das Ergebnis sagt mehr über die Krise der Branche als über ihren Erfolg.

Abstieg mit Ansage – warum Zeitarbeit zur Konjunkturfalle wird
Adecco hat Randstad in Deutschland überholt – nicht durch Wachstum, sondern durch den langsameren Absturz. Beide verloren 2024 teils zweistellig an Umsatz.

Ein historischer Führungswechsel – ohne Glanz

Adecco ist neuer Marktführer im deutschen Zeitarbeitsgeschäft. Zum ersten Mal seit Beginn des Lünendonk-Branchenrankings 1998 steht nicht Randstad an der Spitze, sondern der deutsche Ableger des Schweizer Personaldienstleisters.

Doch der Sieg ist ein Pyrrhussieg: Adecco konnte den ersten Platz nur einnehmen, weil der eigene Umsatz weniger stark schrumpfte als bei der Konkurrenz.

Randstad, bisher unangefochtene Nummer eins, verlor 2024 rund 250 Millionen Euro Umsatz gegenüber dem Vorjahr – ein Rückgang um 13 Prozent. Adecco verlor etwas weniger – und rutschte damit an die Spitze. Branchenchef Peter Blersch spricht trotzdem von einer „guten Behauptung im schwierigen Umfeld“. Euphorie klingt anders.

Ein Markt auf dem Rückzug

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit 2017 ist die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeit um 300.000 gesunken – auf aktuell 728.000. Die Umsätze der 25 größten Anbieter lagen 2024 nur noch bei 31 bis 32 Milliarden Euro, nach 34,5 Milliarden vor sieben Jahren.

Der Grund liegt nicht primär in der Regulierung. Zwar wurden 2017 Höchstüberlassungsdauern eingeführt, später auch Verbote in bestimmten Branchen.

Doch die wirklichen Einschnitte kamen mit Corona – und einer Konjunktur, die sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr erholt hat. Die Zeitarbeit ist Frühindikator – und der zeigt derzeit weiter nach unten.

Das Marktvolumen der 25 größten Zeitarbeitsfirmen schrumpfte von 34,5 Milliarden Euro (2017) auf rund 31 Milliarden Euro (2024) – ein struktureller Niedergang.

Verlierer unter sich – und ein kleiner Lichtblick

Auch die House of HR-Tochter aus Belgien, auf Platz drei des Rankings, verlor Umsatz. Von 1,0 auf 0,927 Milliarden Euro. Noch düsterer sieht es bei der Manpower Group aus: ein Absturz von 518 auf 440 Millionen Euro – Platz fünf im Ranking.

Nur eine Firma tanzt aus der Reihe: I.K. Hofmann aus Nürnberg legte leicht zu – von 440 auf 446 Millionen Euro Umsatz. Klingt nach Erfolg, doch Firmenchefin Ingrid Hofmann dämpft die Euphorie. Der Zuwachs sei vor allem das Ergebnis gestiegener Tariflöhne, die an die Kunden weitergegeben wurden.

Diversifikation als Rettungsanker

Was I.K. Hofmann von anderen unterscheidet: ein breit aufgestelltes Branchenportfolio. Während viele Zeitarbeitsfirmen stark an einzelne Industrien gebunden sind, setzt Hofmann auf Vielfalt.

Das macht das Unternehmen weniger anfällig für Krisen in einzelnen Sektoren – etwa die stockende Transformation der Autoindustrie oder geopolitische Spannungen.

Der Ausblick bleibt trüb

Der Start ins Jahr 2025 zeigt keine Entspannung. Adecco verlor im ersten Quartal 15 Prozent Umsatz gegenüber dem Vorjahr, Randstad zehn. Marktforscher Jörg Hossenfelder spricht von einer „starken Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität“.

Die Aussicht, dass Adecco seine neue Marktführerschaft lange behaupten kann, ist alles andere als sicher. Zumal das Deutschlandgeschäft für die Schweizer nur rund 7,5 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht – und damit eher Randnotiz als Kerngeschäft ist.

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