Steuervorteil statt Ladevorteil
Der große Wurf war angekündigt – herausgekommen ist eine Steuermaßnahme. Mit bis zu 75 % Sonderabschreibung im ersten Jahr sollen Unternehmen für den Kauf neuer Elektroautos belohnt werden.
Klingbeils „Investitionsbooster“ für Firmenflotten ist der erste konkrete Vorstoß der neuen schwarz-roten Regierung, um das im Koalitionsvertrag festgeschriebene E-Mobilitätsziel anzugehen.
Doch während der Begriff „Booster“ nach Fortschritt klingt, wirkt die Maßnahme eher wie ein Rabatt auf Zeit: steuerlich wirksam, bilanziell clever – aber inhaltlich dürftig.
Zwei Millionen statt 15 – und das in fünf Jahren
Von den ambitionierten 15 Millionen E-Autos bis 2030 ist Deutschland noch meilenweit entfernt. Gerade einmal knapp zwei Millionen vollelektrische Pkw sind heute auf der Straße – das entspricht nicht einmal einem Siebtel des Ziels.
Der Absatz ist zuletzt eingebrochen, auch weil die Ampelregierung im Dezember 2023 den Umweltbonus überraschend strich. Das Vertrauen der Konsumenten – insbesondere der privaten – hat darunter sichtbar gelitten.
Was die neue Regel wirklich bringt
Für Unternehmen bringt die Maßnahme vor allem eines: Liquiditätsvorteile. Wer 100.000 Euro in eine neue E-Flotte steckt, kann nun 75.000 Euro sofort steuermindernd abschreiben. In wirtschaftlich angespannten Zeiten ist das ein Argument – vor allem für große Unternehmen mit steuerlichem Gestaltungsspielraum.
Doch was auf dem Papier nach Förderung klingt, ist in Wahrheit eine Verschiebung: Die Steuerlast sinkt kurzfristig, steigt später. Ein echter Anreiz für Neuinvestitionen? Eher nicht. So urteilt auch Dataforce-Analyst Benjamin Kibies: „Mehr Schein als Sein.“
Leasingfirmen reiben sich die Hände
Wirklich profitieren dürften vor allem die Leasinggesellschaften. Denn sie sind in den meisten Fällen die Eigentümer der Fahrzeuge – und damit die Begünstigten der Abschreibung.
Zwar geht das Finanzministerium davon aus, dass der Steuervorteil über günstigere Leasingraten an die Kunden weitergegeben wird. Doch ob und wie stark das passiert, ist ungewiss – und hängt stark von der Marktsituation ab.
Für Handwerksbetriebe oder kleinere Mittelständler mag das eine Gelegenheit sein. Doch für den Massenmarkt ist der „Booster“ kaum ein Gamechanger.
Der Flottenkreislauf – Hoffnungsträger Zweitmarkt
Die Bundesregierung setzt auf einen indirekten Effekt: Wenn Firmen schneller ihre E-Flotten tauschen, landen mehr Fahrzeuge auf dem Gebrauchtmarkt. Damit könnten auch Privatkäufer profitieren – zumindest langfristig.
Das ist nicht unrealistisch, denn gewerbliche Halter dominieren bereits jetzt die Neuzulassungen bei E-Autos: Über 70 % der Stromer wurden in diesem Jahr auf Unternehmen zugelassen.
Doch ein echter Durchbruch für den Markt der Erstzulassungen durch Privatpersonen ist nicht in Sicht. Zu teuer, zu wenig Reichweite, zu viele Unklarheiten bei der Ladeinfrastruktur – und vor allem: zu wenig Vertrauen in die Förderpolitik.
Industrie fordert mehr als Steuertabellen
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) verweist zurecht auf ein grundsätzliches Problem: Das schwache Ladenetz. Gerade in ländlichen Räumen sind Schnellladepunkte rar, teils unzuverlässig, häufig überlastet. Die Industrie warnt: Steuerliche Impulse allein helfen nicht, wenn die Infrastruktur nicht Schritt hält.
Auch die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, fordert eine schnellere Umsetzung bereits versprochener Maßnahmen – wie das Ladeprogramm für Haushalte mit niedrigem Einkommen oder den beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur. Stattdessen herrsche Unsicherheit – und die blockiere Kaufentscheidungen.
Verlässlichkeit statt Flickenteppich
Die E-Auto-Förderung in Deutschland gleicht einer Achterbahnfahrt: Prämien eingeführt, verändert, gestrichen – und jetzt durch Steuermodelle ersetzt. Für Autobauer wie Mercedes ist das ein Problem.
Der Produktionsvorstand des Konzerns, Jörg Burzer, fordert daher „Planbarkeit und Stabilität“. Denn neue Fahrzeugarchitekturen, wie sie in Rastatt mit dem neuen CLA auf Basis der MB.EA-Plattform anlaufen, erfordern langfristige Investitionen.
Und was macht die Konkurrenz?
Während Deutschland steuerlich experimentiert, setzen andere Länder auf klarere Anreize: Kaufprämien, feste Förderprogramme, Ausbaugarantien für Ladepunkte. In Frankreich gibt es Zuschüsse bis zu 5.000 Euro beim Kauf eines Stromers.
Norwegen hat die E-Mobilität nahezu steuerfrei gestellt. In China ist die Förderung mit Industriepolitik verknüpft – dort werden auch Batteriewerke subventioniert. In den USA fließt Geld aus dem „Inflation Reduction Act“ – über 360 Milliarden Dollar sind vorgesehen.
Im Vergleich wirkt die deutsche Sonderabschreibung wie ein Nebenschauplatz.
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