31. Juli, 2025

Unternehmen

760 Millionen Euro weg – aber alles läuft nach Plan?

Die Deutsche Bahn meldet tiefrote Halbjahreszahlen. Ein neuer Sanierungsmarathon soll die Wende bringen – doch die nächste Sperrung trifft ausgerechnet die Hauptschlagader Berlin–Hamburg.

760 Millionen Euro weg – aber alles läuft nach Plan?
Im Juni erreichten nur 57,1 % der Fernzüge ihr Ziel halbwegs pünktlich. Der Konzern hält trotzdem am Jahresziel von 70 % fest – gegen jede Realität.

Ein Staatskonzern auf Gleisverlust

Es klingt paradox, aber für die Deutsche Bahn ist ein Verlust von 760 Millionen Euro fast schon ein Grund zur Erleichterung. Noch im Vorjahr stand das Minus bei über 1,6 Milliarden Euro.

Jetzt feiert man sich in Berlin dafür, nur noch dreistellig im Minus zu sein. Dabei sind die strukturellen Probleme weiterhin unübersehbar – und könnten sich sogar verschärfen.

Denn pünktlich zum Bilanztermin beginnt am Freitag die nächste große Belastungsprobe: Die Strecke zwischen Berlin und Hamburg – eine der wichtigsten Verkehrsachsen des Landes – wird für ganze neun Monate komplett gesperrt. Offiziell heißt das „Generalsanierung“.

Für Pendler, Güterverkehr und Wirtschaft bedeutet es: Umweg, Unzuverlässigkeit und Stillstand auf einem der letzten halbwegs funktionierenden Korridore.

Mehr Umsatz, weniger Kontrolle

Zwar konnte der bundeseigene Konzern seine Umsätze im ersten Halbjahr auf 13,3 Milliarden Euro steigern – ein Plus von 3,4 Prozent.

Doch operativ schreibt der Staatskonzern weiter tiefrote Zahlen: Das bereinigte EBIT liegt bei minus 239 Millionen Euro. Und das trotz voller Züge, gestiegener Ticketpreise und mehr Güterverkehr.

Wirtschaftlich ist die Bahn damit weiterhin ein Fass ohne Boden. Die Gründe: vernachlässigte Infrastruktur, operative Überforderung, Managementversagen und ein politisches System, das viel fordert – aber wenig liefert. Denn noch immer fehlt der klare Fahrplan für eine zukunftsfähige Bahn.

Die Deutsche Bahn verbrennt trotz voller Züge weiter Milliarden – 760 Millionen Euro Verlust allein im ersten Halbjahr 2025. Die Generalsanierungen kommen spät und treffen hart.

Sanierung mit Ansage

Der große Hoffnungsträger heißt „Generalsanierung“. Bis Ende 2027 sollen 40 hochbelastete Strecken grundlegend modernisiert werden.

Das klingt ambitioniert, ist aber auch eine Bankrotterklärung: Jahrzehntelang wurde auf Verschleiß gefahren, während Milliardeninvestitionen häufig in Verwaltung, Subunternehmen oder ineffiziente Großprojekte flossen. Nun soll der überfällige Umbau bei laufendem Betrieb gelingen – ohne die Geduld der Fahrgäste endgültig zu verspielen.

Die anstehende Sperrung zwischen Berlin und Hamburg gilt als erster echter Härtetest. Bahnexperten warnen: Die Strecke ist lang, Alternativen begrenzt – und das Risiko für Chaos entsprechend hoch. Schon die Baustelle zwischen Frankfurt und Mannheim war für viele eine Geduldsprobe, obwohl dort die Umleitungen einfacher waren.

57 Prozent Pünktlichkeit – und das soll der Aufbruch sein?

Besonders heikel: Die Bahn verpasst weiterhin konsequent ihre selbstgesteckten Pünktlichkeitsziele. Im Juni kamen nur 57,1 Prozent der Fernzüge halbwegs pünktlich an.

Das Ziel für 2025 liegt bei 65 bis 70 Prozent – ein Wert, der in vielen europäischen Ländern als Krisenindikator gelten würde, nicht als Optimismusbeweis.

Dass sich mit der Sanierung der Strecke Berlin–Hamburg sofortige Verbesserungen einstellen, glaubt intern kaum jemand. Selbst das Management räumt ein: Erst ab 2026, wenn vier weitere Strecken auf den Prüfstand kommen, sei mit einer spürbaren Veränderung zu rechnen. Die Geduld der Kunden dürfte bis dahin auf eine noch härtere Probe gestellt werden.

Politischer Sprengstoff auf dem Gleisbett

Längst ist die Bahn zum politischen Risiko geworden. Die Lokführergewerkschaft fordert offen den Rücktritt von Bahnchef Richard Lutz, der trotz anhaltender Krise im Amt bleibt. Der Druck auf das Management wächst, doch die Politik zögert. Denn jeder Strategiewechsel würde auch das Eingeständnis einer jahrelangen Fehlsteuerung bedeuten – mit Milliardenkosten für den Steuerzahler.

Ein Konzern, der ohne dauerhaft staatliche Milliardenhilfen längst kollabiert wäre, soll nun ausgerechnet sich selbst sanieren. Ein Projekt, das an Selbstüberschätzung grenzt – und für das es keine zweite Chance geben dürfte.

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