21. Juni, 2025

Finanzen

64.000-Prozent? Wie aus einem Kräuter-Rezept ein Milliarden-Märchen wurde

Ein Biotech-Pennystock aus Hongkong explodiert – ohne Umsatz, ohne Zulassung, ohne Substanz? Der Fall Regencell Bioscience zeigt, wie fragil und manipulativ der Hype-Markt geworden ist.

64.000-Prozent? Wie aus einem Kräuter-Rezept ein Milliarden-Märchen wurde
64.000-Prozent-Rally ohne Umsatz – das Biotech-Märchen von Regencell beruht auf Hoffnung, nicht auf Wissenschaft. Das Unternehmen hat keine zugelassenen Produkte, keine Einnahmen – und dennoch eine Marktkapitalisierung von 30 Milliarden Dollar.

Wenn eine Aktie innerhalb eines Jahres um mehr als 64.000 Prozent steigt, dann ist entweder die Pharma-Revolution angebrochen – oder ein Lehrbuchbeispiel für die Abgründe spekulativer Exzesse.

Regencell Bioscience, gegründet auf den Kaimaninseln, behauptet, neurologische Erkrankungen wie ADHS und Autismus mit traditionellen chinesischen Kräuterformulierungen behandeln zu können – und hat trotz Nullumsatz plötzlich einen Börsenwert von über 30 Milliarden Dollar.

Was wie ein Witz klingt, wurde binnen weniger Wochen zur atemlosen Wall-Street-Story.

Kursexplosion ohne Fundament

Noch vor wenigen Monaten führte Regencell ein Schattendasein als typischer Pennystock – winzige Handelsvolumina, kaum Medienpräsenz, keinerlei kommerzielle Erfolge.

Doch mit einem Aktiensplit im Verhältnis 38:1 wurde die Aktie Mitte Juni plötzlich zum Spielball spekulativer Kräfte. Innerhalb eines einzigen Handelstags schoss der Kurs um über 400 Prozent in die Höhe.

Bloomberg zählte allein an diesem Tag mehr als zehn Volatilitätsunterbrechungen. Analysten? Fehlanzeige. Produktpipeline? Nicht existent. Gewinne? Keine. Dennoch: Das Papier explodierte.

Der Grund? Ein geradezu grotesk niedriger Streubesitz von rund sechs Prozent. 94 Prozent der Aktien befinden sich in festen Händen – allein CEO Yat-Gai Au hält laut Bloomberg rund 86 Prozent.

Damit lässt sich mit kleinen Mitteln ein großer Hype erzeugen: Schon geringe Kaufvolumina treiben den Kurs massiv – und verleihen dem Unternehmen eine auf dem Papier gigantische Bewertung.

Medizinische Vision oder Märchenstunde?

In seinen Pflichtveröffentlichungen bleibt Regencell auffällig ehrlich: Man habe „keine Einnahmen, keine Zulassungen, keine Vertriebserfahrung, keine Patente und keine Garantie, jemals profitabel zu werden“.

Die vielzitierte „Formel“ basiert auf traditioneller chinesischer Medizin, sei komplett pflanzlich und verzichte auf synthetische Bestandteile – klingt mehr nach esoterischem Wellbeing als nach modernem Biotech.

Und doch: Das Unternehmen kündigte an, mit exakt dieser Rezeptur nicht nur ADHS, sondern auch Autismus behandeln zu wollen – Krankheiten mit komplexen neurologischen Ursachen, deren Behandlung jahrzehntelange Forschung erfordert.

2022 startete Regencell zudem eine Covid-19-Studie mit der eigenen Kräuterformel – und verkündete, dass Symptome in sechs Tagen verschwinden könnten. Fachlich begutachtet wurden diese Daten nie.

Spekulativer Wahnsinn mit System

Die Episode erinnert an berüchtigte Kursexzesse der Vergangenheit: von Gamestop bis Nikola Motors, von VinFast bis Trump Media. In all diesen Fällen führten geringe Handelsvolumina, überbordende Fantasie und eine Prise Social-Media-Wahnsinn zu Bewertungen, die jedes ökonomische Maß sprengen.

Regencell fügt dem noch einen Hauch fernöstlicher Mystik hinzu – und eine ungewöhnlich hohe Insider-Konzentration, die den Markt für gezielte Kursbewegungen besonders anfällig macht.

Wie immer stellt sich die Frage: Wer profitiert? Während private Kleinanleger von „der nächsten Biotech-Revolution“ träumen, vergrößert sich der Reichtum des Gründers auf dem Papier ins Gigantische. Und sollte der Hype kippen – wie bei fast allen vergleichbaren Fällen zuvor – bleiben verbrannte Finger zurück.

Die Realität wird zurückkommen

Dass Regencell bei nüchterner Betrachtung kein einziges Kriterium eines klassischen Wachstumsunternehmens erfüllt, scheint den Markt derzeit nicht zu stören. Doch Kurse sind keine Einbahnstraße. Die Kombination aus Nullumsatz, fehlenden Patenten und extremer Kurssensibilität ist ein explosiver Cocktail – nicht für eine medizinische Revolution, sondern für eine mögliche SEC-Ermittlung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bitcoin, Blockchain, JPMD – JPMorgan zündet nächste Stufe der Krypto-Offensive
Die größte US-Bank meldet Markenrechte für einen eigenen digitalen Vermögenswert an. Hinter der unscheinbaren Bezeichnung „JPMD“ verbirgt sich womöglich ein Stablecoin-Projekt, das den Kryptomarkt grundlegend verändern könnte.