28. Mai, 2025

Märtke

50-Prozent-Zoll – Wie Trumps Drohung Deutschlands Industrie ins Wanken bringt

Ein Importzoll in dieser Höhe wäre eine wirtschaftspolitische Eskalation historischen Ausmaßes. Was als Verhandlungstaktik beginnt, könnte Deutschlands Exporteure in eine Rezession stürzen.

50-Prozent-Zoll – Wie Trumps Drohung Deutschlands Industrie ins Wanken bringt
Mit einem 50-Prozent-Zoll könnten deutsche Exporte in die USA um bis zu 24 % einbrechen – vor allem die Automobil-, Maschinenbau- und Chemiebranche wären betroffen.

Ein Tweet, der Milliarden kostet

Am Freitagmorgen um 7:12 Uhr Washingtoner Zeit schrieb Donald Trump auf seinem Netzwerk Truth Social einen Satz, der in deutschen Vorstandsetagen für Panik sorgt:

„Ich empfehle einen 50-Prozent-Zoll gegen die EU ab dem 1. Juni.“

Kein Scherz, keine Relativierung – nur Drohung. Was als Druckmittel gegen Brüssel gemeint ist, könnte bald zur realen Gefahr für eine ohnehin geschwächte deutsche Wirtschaft werden.

Deutschlands Achillesferse: der Export

Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Außenhandel ist kein Geheimnis. Knapp 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hängen direkt oder indirekt am Export – und die USA sind einer der wichtigsten Absatzmärkte.

Vor allem die Industrie – Maschinenbauer, Autozulieferer, Chemieunternehmen – liefert in großem Umfang in die Vereinigten Staaten.

Eine Zollerhöhung von 50 Prozent würde für viele Exporteure einem Marktausschluss gleichkommen. Die Preise würden schlagartig steigen, deutsche Produkte würden im Wettbewerb mit lokalen Anbietern schlicht untergehen.

Nach Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft würden allein die deutschen Exporte in die USA kurzfristig um 24 Prozent einbrechen.

Industrieproduktion würde massiv zurückgehen

Noch dramatischer wären die Folgen für die Produktion. Die Simulation des Handelsökonomen Julian Hinz zeigt: Deutschlands Industrie würde ihre Gesamtproduktion um 0,8 Prozent senken müssen – innerhalb kürzester Zeit.

Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist das der höchste Rückgang. Nur die USA wären laut Modell noch stärker betroffen – dort würde die Industrieproduktion sogar um 1,5 Prozent schrumpfen.

Deutschlands Industrieproduktion würde laut Simulationsdaten des IfW Kiel um 0,8 % sinken – der stärkste Rückgang unter allen EU-Staaten.

Ein weiterer Schlag gegen eine angeschlagene Konjunktur

Dabei ist die Ausgangslage bereits angespannt. Zwar wuchs das BIP im ersten Quartal noch um 0,4 Prozent, doch die Gesamtjahresprognosen der großen Wirtschaftsinstitute liegen bei Nullwachstum. Ein Zollschock würde die fragile Erholung abwürgen. Deutschland könnte in eine technische Rezession rutschen – erneut.

Warum Trump dennoch eskalieren könnte

Trump begründet seine Zollforderung mit angeblich unfairen Handelspraktiken der EU. Er verweist auf europäische Subventionen, Mehrwertsteuerregelungen und Kartellstrafen gegen US-Konzerne wie Apple oder Meta.

Doch in Wahrheit dürften seine Motive innenpolitischer Natur sein. Die Drohung richtet sich an die eigene Wählerschaft – als Inszenierung des starken Mannes, der vermeintlich für amerikanische Arbeiter kämpft.

Gleichzeitig ist es eine Reaktion auf die langsamen Fortschritte in den Handelsgesprächen mit der EU. Trump will Druck erzeugen – mit einem Vorschlag, der mehr an eine wirtschaftliche Atombombe erinnert als an ein legitimes Instrument der Handelspolitik.

Für US-Verbraucher wäre der Zoll ein Bumerang

Was oft vergessen wird: Die Hauptlast solcher Zölle tragen meist nicht die Exporteure, sondern die Verbraucher im Importland.

Auch das Kiel Institut zeigt das: In den USA würden die Preise durch die Strafzölle im Schnitt um 6,6 Prozent steigen – ein zusätzlicher Inflationsschub in einer ohnehin angespannten geldpolitischen Lage. Für die Eurozone hätte der Effekt hingegen einen deflationären Impuls von minus 2,4 Prozent, da überschüssige Waren im Binnenmarkt angeboten würden.

Ausweichmöglichkeiten gibt es – aber nicht sofort

Theoretisch könnten deutsche Firmen versuchen, ihre US-Exporte auf andere Märkte umzulenken – etwa nach Asien oder Lateinamerika. Doch das kostet Zeit, benötigt neue Logistik, Verträge, Zulassungen. Und es setzt voraus, dass die neue Nachfrage überhaupt vorhanden ist. Kurzfristig dürfte der Nettoeffekt klar negativ ausfallen.

Der Irrglaube an protektionistische Kontrolle

Trump hat in seiner ersten Amtszeit gezeigt, dass er bereit ist, ökonomische Risiken einzugehen, um politische Macht zu demonstrieren. Der neue Zollvorschlag folgt derselben Logik. Doch der ökonomische Schaden wäre diesmal deutlich größer – und weitreichender. Nicht nur für Deutschland, sondern auch für die USA.

Handelsökonom Hinz bringt es auf den Punkt: „Die USA haben den Fehler gemacht, sich mit allen Partnern gleichzeitig anzulegen.“ In einer global vernetzten Wirtschaft führt das selten zu mehr Wohlstand – meist zu weniger.

Der Preis für eine Zoll-Eskalation wäre enorm

Wenn Trump seine Ankündigung wahr macht, würde er nicht nur der deutschen Wirtschaft massiven Schaden zufügen. Er würde auch die Inflation in den USA anheizen, den Welthandel destabilisieren und das transatlantische Verhältnis weiter belasten. Die Hoffnung bleibt, dass Vernunft über Inszenierung siegt. Sicher ist das allerdings nicht.

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