Ein Land blickt weg
16.354 registrierte Fälle mit 18.085 Opfern – die nackten Zahlen zeigen, was viele nur verdrängen möchten: Kindesmissbrauch in Deutschland ist kein Randphänomen, sondern Alltag.
Drei Viertel der Opfer sind Mädchen. Obwohl die Gesamtzahl im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückging, liegt sie noch immer deutlich über dem Fünfjahresschnitt.
Für Dobrindt ist klar: „Wir dürfen uns an diese Zahlen nicht gewöhnen.“
Täter oft selbst minderjährig
Besonders verstörend ist ein Befund: Rund ein Drittel der Täter beim Kindesmissbrauch ist selbst unter 18 Jahre alt. Bei Kinder- und Jugendpornografie liegt der Anteil jugendlicher Tatverdächtiger sogar bei bis zu 50 Prozent.
Es sind also nicht nur Erwachsene, die Kinder schädigen – immer öfter sind es Gleichaltrige oder nur wenig ältere Jugendliche.
Fachleute sprechen von einer gefährlichen Verwischung der Grenzen, angetrieben durch digitale Plattformen und den leichten Zugang zu problematischen Inhalten.
Hotspots Berlin, NRW und Sachsen-Anhalt
Regional zeigen sich klare Brennpunkte. Gemessen an der Bevölkerung liegt Berlin bei den Fallzahlen an der Spitze, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Beim Missbrauch Jugendlicher führt Bremen die Statistik an.

Dass gerade urbane und strukturschwache Regionen auffallen, ist für Experten kein Zufall: Armut, soziale Isolation und fehlende Schutzmechanismen in Schulen und Jugendämtern verstärken die Risiken.
Kinderpornografie – sinkende Zahlen, steigende Sorgen
Mit 42.854 registrierten Fällen ging die Kinderpornografie 2024 zwar leicht zurück (–5,2 Prozent), doch bei Jugendpornografie verzeichnete die Polizei einen Zuwachs von 8,5 Prozent.
„Diese Entwicklung muss uns alle alarmieren“, sagt Kerstin Claus, Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch.
Besonders problematisch: Viele Jugendliche teilen selbst intime Bilder, ohne sich der Tragweite bewusst zu sein – ein „Graubereich“, der Strafverfolger und Präventionsstellen gleichermaßen überfordert.
Politik unter Druck
Die Bundesregierung will nun handeln. Geplant ist eine dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen, um Täter im Netz schneller zu identifizieren. Bürgerrechtler warnen jedoch vor unverhältnismäßigen Eingriffen in die Privatsphäre, während Opferverbände mahnen, dass technische Lösungen allein nicht ausreichen.
Sie fordern mehr Aufklärung an Schulen, eine bessere personelle Ausstattung der Jugendämter und langfristige Präventionsprogramme.
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