Kaum ein Land hadert derzeit so sehr mit seiner wirtschaftlichen Dynamik wie Deutschland. Investitionen bleiben aus, Maschinenparks veralten, das Wachstum lahmt – und die Politik gerät unter Druck.
Mitten in dieser Phase schlägt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ein spektakuläres Investitionspaket auf: Steuererleichterungen für Unternehmen in Höhe von bis zu 46 Milliarden Euro bis 2029.
Das Ziel: Impulse setzen, Vertrauen schaffen, Kapital binden. Doch die Pläne werfen Fragen auf – auch solche, die über Steuersätze hinausgehen.
Bewegliche Güter – bewegte Hoffnung
Herzstück des Vorhabens ist ein sogenannter „Investitions-Booster“. Drei Jahre lang – von 2025 bis 2027 – sollen Unternehmen bis zu 30 % der Kosten für bewegliche Wirtschaftsgüter sofort steuerlich geltend machen können.
Klingbeils Kalkül: Wenn es sich lohnt, Maschinen, IT oder Firmenwagen zügig abzuschreiben, wird schneller investiert.
Ab 2028 soll dann die Körperschaftssteuer schrittweise sinken – von heute 15 % auf 10 % im Jahr 2032. Eine Revolution im deutschen Steuerrecht – wenn der Bundestag mitspielt.
Abschreibungsschub für E-Autos
Besonders auffällig: die gezielte Förderung elektrischer Dienstfahrzeuge. Für Käufe zwischen Juli 2025 und Ende 2027 dürfen Firmen im Anschaffungsjahr 75 Prozent der Kosten eines betrieblich genutzten E-Autos steuerlich absetzen.
In den Folgejahren lassen sich die restlichen 25 Prozent sukzessive abschreiben. Ein lukrativer Anreiz, der vor allem der heimischen Automobilindustrie gefallen dürfte – und das in einer Zeit, in der deutsche Hersteller im E-Segment global zurückzufallen drohen.
Weniger Steuer auf Gewinne – wenn sie im Unternehmen bleiben
Auch für thesaurierte Gewinne – also einbehaltene Unternehmensgewinne – sieht Klingbeils Entwurf Steuererleichterungen vor.

Damit will die Regierung Mittelstandsunternehmen belohnen, die nicht ausschütten, sondern reinvestieren. Gleichzeitig soll die steuerliche Forschungsförderung ausgeweitet werden – ein Punkt, bei dem Deutschland im internationalen Vergleich bisher bestenfalls Mittelmaß erreicht.
Wer zahlt die Zeche – und wann?
Doch so sehr sich viele Unternehmen über die geplanten Entlastungen freuen dürften: Die große Frage bleibt, ob der Staat sich ein solches Programm tatsächlich leisten kann – oder will.
Denn während die Wirtschaft sich Stabilität wünscht, kämpft der Bundeshaushalt schon heute mit milliardenschweren Finanzierungslücken. Bereits 2024 musste Finanzminister Klingbeil Ausgaben einfrieren, weil das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung nicht genutzter Corona-Kredite kippte.
Die geplanten Steuererleichterungen würden das strukturelle Defizit weiter erhöhen – und setzen auf ein zentrales Prinzip: Die Entlastung von heute wird durch das Wachstum von morgen kompensiert. Ein Prinzip, das zuletzt nicht immer aufging.
Der Mittelstand atmet auf – aber wie lange?
Viele Mittelständler, die sich unter Bürokratielasten und hohen Energiekosten seit Jahren mühen, könnten mit den angekündigten Entlastungen endlich wieder Luft holen. Doch nicht alle teilen den Optimismus.
Kritiker monieren, dass Abschreibungsbeschleuniger kurzfristig helfen, aber strukturelle Probleme nicht lösen – etwa zu langsame Genehmigungsverfahren, marode Infrastruktur oder anhaltender Fachkräftemangel.
Reformen in Serie – oder nur eine Beruhigungspille?
Klingbeils Gesetzesinitiative kommt zur rechten Zeit – keine Frage. Doch sie steht nicht für sich allein. Sie reiht sich ein in ein ganzes Bündel von Versuchen, die deutsche Wirtschaft aus ihrer Lethargie zu reißen: das Wachstumschancengesetz, die Strompreisbremse, das Bürokratieentlastungsgesetz.
Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt jedoch nicht nur von ihrem fiskalischen Volumen ab – sondern auch von ihrer politischen Umsetzung und der Wirkung auf das Verhalten von Unternehmen.
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