Zwischen Glanz und Kreditzinsen: Was vom Zimmerpreis übrig bleibt
Wer heute ein Familienzimmer in einem gehobenen Hotel bucht, zahlt nicht selten 350 bis 500 Euro – ohne Extras. Die Preissprünge seit 2019 sind drastisch, im Fünf-Sterne-Segment liegt der Zuwachs laut Branchenberatung Hotour bei bis zu 30 %. Viele Gäste wittern Abzocke.
Doch ein genauer Blick auf die Kalkulation zeigt: Die Preissteigerungen sind kein reines Profitstreben, sondern oft ein Überlebensmechanismus.
Der Fall Gerstl: 40 Millionen Euro und eine Rechnung, die aufgehen muss
Das „Gerstl Family Retreat“ in Südtirol ist ein Paradebeispiel für das neue Hotelgeschäft unter Hochdruck. 40 Mio. Euro hat Familie Gerstl in den Neubau investiert, davon über 30 Mio. fremdfinanziert.
Die Übernachtung kostet durchschnittlich 400 Euro – inklusive Dreiviertelpension. Klingt nach Luxus – ist in Wahrheit ein ökonomischer Drahtseilakt.
Wo die 400 Euro landen: Eine Aufschlüsselung
Etwa 140 Euro pro Nacht bleiben nach Abzug von Personal-, Energie-, Verpflegungs- und Instandhaltungskosten übrig – ein Bruttobetrag. Davon gehen Zinsen, Tilgung und Rücklagen für künftige Investitionen ab. Im Luxussegment werden Gebäude nach zehn Jahren wieder aufgerüstet – sonst bleibt man nicht wettbewerbsfähig.

Und das Personal? Es frisst den Löwenanteil. Rund 35–40 % des Zimmerpreises entfallen auf Gehälter und Löhne. Für Claudia Sunderkamp von Hotour ist das keine Ausnahme, sondern ein realistischer Branchenschnitt.
Hohe Löhne, hohe Erwartungen – und ein Roboter für den Abwasch
Im gehobenen Segment erwarten Gäste viel Personal – und fehlerfreie Abläufe. Wer nicht mitzieht, verliert Stammkunden. Um Kosten zu drücken, greifen manche Häuser zu Automatisierung.
Bei Gerstl etwa hilft ein Serviceroboter beim Abräumen. Symbolisch steht er für einen Spagat zwischen Gastfreundschaft und Effizienz.
Kalkulation mit wenig Spielraum – vor allem bei Auslastung
Eine Hotelrechnung funktioniert nur bei stabiler Auslastung. Im „Gerstl Family Retreat“ kalkuliert man mit mindestens 80 % Belegung bis ins Frühjahr 2026. Fällt diese Zahl unter 60 %, wird es brenzlig. Denn anders als bei vielen anderen Geschäftsmodellen sind Hotels massiv fixkostengetrieben. Ein leeres Zimmer kostet Geld – jedes Mal.
Warum das Frühstück oft draufzahlt – und die Betten verdienen
Der alte Hotelmanager-Satz „Das Geld kommt die Treppe runter“ hat nach wie vor Gültigkeit: Verdient wird vor allem an der Übernachtung, weniger an der Gastronomie. Frühstück und Abendessen sind oft Zuschussgeschäft – notwendig für die Kundenzufriedenheit, aber selten lukrativ.
Die stille Inflation in der Hotellerie
Seit der Pandemie sind nicht nur die Preise gestiegen, sondern auch die Unsicherheiten. Energiepreise, Materialkosten und hohe Bauzinsen drücken auf die Kalkulation. Zugleich sind viele Hotels gezwungen, ihr Niveau zu halten – denn der Gast verzeiht keinen Rückschritt. Die Folge: Eine Preisspirale, die sich nicht allein aus Gier speist, sondern aus strukturellen Notwendigkeiten.
Das könnte Sie auch interessieren:
