Investitionsbedarf über eine halbe Billion
Montagmorgen, Berlin. Keine politischen Visionen, keine wohlklingenden Zukunftsversprechen. Stattdessen eine Zahl, die nüchterner kaum sein könnte: 535 Milliarden Euro. So viel müssen deutsche Stadtwerke und regionale Energieversorger bis 2045 in Netze, Speicher, Wärme und Infrastruktur investieren. Das zeigt eine Analyse des Beratungsunternehmens PwC im Auftrag der KfW-Bankengruppe.
Die Studie setzt noch einen zweiten, entscheidenden Wert daneben: Rund 346 Milliarden Euro dieser Summe sind aktuell nicht finanzierbar.
Warum die Energiewende abhängig von Stadtwerken ist
Die Energiewende findet nicht in Vorstandsetagen großer Konzerne statt, sondern vor Ort: in Fernwärmenetzen, Trafostationen, Umspannwerken und Speichern. Stadtwerke und Regionalversorger betreiben meist genau diese Infrastruktur. Sie müssen ausbauen, modernisieren und neu bauen.

Doch anders als DAX-Konzerne haben Stadtwerke keinen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten. Sie sind häufig kommunal geführt und müssen mit ihrer Rendite nicht nur Investitionen finanzieren, sondern auch defizitäre Bereiche wie öffentlichen Nahverkehr oder Schwimmbäder mittragen.
Die Folge: kaum Spielraum für Eigenkapitalaufbau.
Wärmesektor: der teuerste Hebel der Transformation
Der größte Teil der Investitionen entfällt auf den Wärmesektor.
Der Gebäudebereich verursacht laut Umweltbundesamt jährlich rund 100 Millionen Tonnen CO₂. Um das zu ändern, müssen Wärmenetze erweitert, Heizkraftwerke umgebaut und neue Wärmequellen erschlossen werden.
Viele Stadtwerke setzen auf Großwärmepumpen, die ganze Stadtteile versorgen können. Andere prüfen Geothermie oder industrielle Abwärme. Doch der Ausbau kostet Milliarden – und liefert erst nach Jahren Erträge.
Für ein kommunales Stadtwerk bedeutet das Risiko.
Stadtwerke stehen unter doppeltem Druck
PwC zeigt klar, wo das Problem liegt:
- Nur rund ein Viertel des Investitionsbedarfs kann aus eigener Kraft finanziert werden.
- Zehn Prozent können über Förderprogramme gedeckt werden.
- Für den Rest – rund 346 Milliarden Euro – fehlt eine Lösung.
Eine Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen bestätigt das Bild:
Nur 30 Prozent der Unternehmen können Investitionen selbst finanzieren.
Stattdessen werden Bankkredite genutzt, Kommunen sollen Kapital erhöhen oder Investoren miteinsteigen. Private Investoren schrecken viele Kommunen jedoch ab – die Angst vor Einflussverlust ist hoch.
Kommunale Versorger wollen investieren, dürfen aber oft nicht.

Neue Finanzierungsmethoden: Staat soll Risiken teilen
PwC schlägt vor, den Finanzierungskasten radikal zu erweitern:
- Staat soll Kreditausfallrisiken teilweise übernehmen, um Finanzierungen zu erleichtern
- Anpassung des Kommunalrechts, damit Städte Kredite aufnehmen dürfen, um Stadtwerke zu stärken
- Stille Einlagen, bei denen Investoren kein Mitspracherecht bekommen
Das Modell wurde bereits getestet:
In Niedersachsen erhielt die Stadt Hannover einen Kredit des Landes, leitete ihn als Eigenkapital an Enercity weiter. Ergebnis: höhere Investitionskraft, ohne Kontrolle abzugeben.
Ein funktionierender Weg – aber die Ausnahme.
„Energiewende-Fonds“: Kapital ohne politischen Streit?
Der Branchenverband BDEW fordert einen nationalen Energiewende-Fonds.
Die Idee: öffentliche Mittel und privates Kapital bündeln und langfristiges Eigenkapital bereitstellen – ohne dass Investoren Einfluss erhalten.
Enercity-Chefin Aurélie Alemany bringt das Dilemma auf den Punkt:
„Unsere Ertragskraft ist der Motor, reicht aber allein nicht aus.“
Das gilt für fast jedes Stadtwerk.



