12. Juni, 2025

Krypto

250 Prozent in 48 Stunden – der Circle-Hype

Der Stablecoin-Anbieter Circle hat ein Börsendebüt hingelegt, wie es die Wall Street seit Jahren nicht gesehen hat. Doch ist die Krypto-Aktie wirklich der Startschuss für ein neues Kapitel digitaler Finanzinfrastruktur – oder schlicht überbewertet? Eine Analyse.

250 Prozent in 48 Stunden – der Circle-Hype

Explosiver Start mit Signalwirkung

Es war der mit Abstand spektakulärste US-Börsengang des Jahres: 34 Millionen Aktien zu je 31 Dollar, ein Ausgabepreis über der Preisspanne – und ein Kurs, der sich in zwei Handelstagen verdreifachte.

Quelle: Eulerpool

Circle, Anbieter des zweitgrößten Stablecoins der Welt, wurde von der Wall Street umgehend zur neuen Fintech-Hoffnung ausgerufen. Die Bewertung liegt nun bei über 20 Milliarden Dollar. Die Euphorie: grenzenlos. Die Frage: berechtigt?

Denn Circle ist mehr als ein Krypto-Unternehmen – aber eben auch nicht weniger.

Was Circle anders macht

Im Zentrum des Geschäftsmodells steht der USDC – ein Stablecoin, also eine digitale Eins-zu-eins-Abbildung des US-Dollars. Anders als etwa Bitcoin oder Ethereum ist der USDC nicht volatil, sondern gedeckt durch reale Dollarreserven.

Anders als Tether, Marktführer unter den Stablecoins, wirbt Circle mit Transparenz, regelmäßigen Audits – und Nähe zur Regulierungsbehörde.

Der Unterschied zu klassischen Krypto-Plattformen: Circle verdient sein Geld nicht in erster Linie mit Handelsgebühren, sondern mit Zahlungsdienstleistungen, Wallet-Technologie und Zinserträgen auf die hinterlegten Kundengelder. Infrastruktur statt Spekulation.

Ein Unternehmen, das liefert

Die Zahlen geben dem Modell recht – zumindest bislang. 1,7 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2024, 156 Millionen Gewinn.

Im ersten Quartal 2025 allein fast 65 Millionen Dollar Überschuss. Das meiste davon stammt aus den Zinsen, die Circle auf die bei Banken geparkten USDC-Gegenwerte erhält.

Der USDC selbst ist mit rund 61 Milliarden Dollar im Umlauf, hat Transaktionen im Gesamtvolumen von über 25 Billionen Dollar abgewickelt – eine Dimension, die bisher nur traditionellen Zahlungsdienstleistern vorbehalten war.

Die Investoren haben geliefert

Dass Circle mehr ist als ein Hype, zeigt auch der Cap Table: ARK Invest beteiligte sich mit bis zu 150 Millionen Dollar am IPO.

Weitere institutionelle Investoren folgten. Sie setzen auf ein Unternehmen, das sich klar von der wilden Westmentalität früherer Krypto-Startups abgrenzt – mit Compliance, Governance und Gewinn.

Und: Circle ist kein Neuling. Die Firma existiert seit 2013, überlebte mehrere Krypto-Zyklen und war schon am Aufbau des heutigen Fintech-Ökosystems beteiligt, als andere noch über ICOs nachdachten.

Was gegen den Höhenflug spricht

Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Die Bewertung nach zwei Tagen Börsenhandel ist sportlich. Mehr als 20 Milliarden Dollar für ein Unternehmen, das zwar wächst – aber bisher stark von den Zinseinnahmen auf Kundeneinlagen lebt.

Das Geschäftsmodell ist elegant, aber auch sensibel: Zinssenkungen könnten die Marge empfindlich treffen. Und dann ist da noch die Konkurrenz.

Mit PayPal drängt ein Gigant mit eigenem Stablecoin auf den Markt. Auch traditionelle Banken und Fintechs arbeiten an tokenisierten Dollar-Abbildungen. Und Tether, trotz seiner Intransparenz, bleibt mit Abstand der größte Player im Markt.

Regulierung bleibt das Nadelöhr

Circle setzt bewusst auf Zusammenarbeit mit Behörden. Doch das kann auch zur Achillesferse werden: Sollte der regulatorische Wind in Washington drehen – etwa bei einem neuen Kongress oder veränderten Prioritäten bei der SEC –, wäre Circles Geschäftsmodell sofort unter Druck.

Zudem bleibt der Stablecoin-Sektor politisch aufgeladen. Die Frage, wer digitale Dollar herausgeben darf, ist in den USA noch lange nicht abschließend geklärt – und könnte bei einem Richtungswechsel im Weißen Haus zur Verstaatlichungsdebatte führen.

Der Krypto-Moment der Wall Street

Circle hat mit seinem Börsendebüt zweifellos ein Zeichen gesetzt. Für die Wall Street. Für die Krypto-Industrie. Für Investoren, die nach einer Brücke zwischen beiden Welten suchen. Doch Euphorie ersetzt keine Geschäftsmodelle – und schon gar keine realistische Bewertung.

Wer heute einsteigt, investiert nicht in einen Coin, sondern in eine Wette: auf technologische Infrastruktur, auf stabile Regulierung – und auf die Hoffnung, dass diese neue Version des digitalen Dollars nicht nur schneller ist, sondern auch sicherer.

Das könnte Sie auch interessieren:

Diese drei Aktien profitieren vom Netzausbau
Die Energiewende kommt das Land teuer zu stehen. Allein das Stromnetz kostet bis 2045 rund 650 Milliarden Euro. Wer daran verdient, steht längst an der Börse – und bietet Anlegern interessante Einstiegspunkte.