Der Lohnzettel 2026 erzählt eine unbequeme Wahrheit: Mehr Brutto bedeutet nicht automatisch mehr Netto, und Steuersenkungen helfen nur dort, wo sie nicht von höheren Abgaben aufgefressen werden. Genau das passiert im kommenden Jahr. Berechnungen des Nürnberger Softwarehauses Datev zeigen, dass viele Arbeitnehmer trotz steuerlicher Entlastungen real verlieren – manche leise, andere deutlich.
Steuersenkungen kommen an, aber nur auf dem Papier
Formal ist 2026 ein Jahr der Entlastung. Der Grundfreibetrag steigt, das Kindergeld wird erhöht, der Kinderfreibetrag angepasst, die kalte Progression teilweise ausgeglichen. Alles Maßnahmen, die das verfügbare Einkommen erhöhen sollen. In der Praxis bleibt davon wenig.
In fast allen Steuerklassen und Gehaltsstufen bis rund 5500 Euro brutto pro Monat bleibt nur ein minimaler Nettozuwachs. Wer hier arbeitet, merkt die Entlastung kaum. Die Beträge bewegen sich im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr – zu wenig, um steigende Lebenshaltungskosten oder höhere Versicherungsbeiträge zu kompensieren.

Krankenkassen und Sozialabgaben fressen den Effekt auf
Der Hauptgrund liegt nicht im Steuerrecht, sondern im Sozialstaat. Für 2026 rechnen die Experten mit höheren Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gleichzeitig steigen die Beitragsbemessungsgrenzen erneut deutlich. Das hat eine klare Wirkung: Ein größerer Teil des Einkommens wird beitragspflichtig.
Besonders stark trifft das Einkommen oberhalb von zwei Schwellen. Ab etwa 5500 Euro brutto monatlich steigen die Abzüge spürbar. Noch einmal deutlich stärker fallen sie bei Einkommen über 8000 Euro aus. Hier greifen zusätzlich höhere Bemessungsgrenzen für Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Wer profitiert – und wer verliert
Am besten schneiden Singles in Steuerklasse I mit rund 5500 Euro Monatsgehalt ab. Sie profitieren vergleichsweise stark von den Steuersenkungen, ohne bereits voll von den höheren Beitragsgrenzen erfasst zu werden. Doch selbst hier bleibt das Plus überschaubar: rund 64 Euro netto im gesamten Jahr.
Auch Arbeitnehmer mit 3000 bis 5000 Euro Monatsgehalt haben am Ende minimal mehr im Portemonnaie – unabhängig von der Steuerklasse. Das Wort „Entlastung“ wirkt in diesem Bereich allerdings übertrieben.
Geringverdiener geraten unter Druck
Paradox wird es bei niedrigen Einkommen. Gerade dort, wo keine oder kaum Lohnsteuer anfällt, verpuffen steuerliche Entlastungen vollständig. Gleichzeitig schlagen höhere Krankenkassenbeiträge voll durch.
Verheiratete mit 2000 oder 2500 Euro brutto monatlich müssen laut den Berechnungen 2026 sogar mit einem Netto-Minus rechnen. Nicht wegen höherer Steuern, sondern wegen steigender Sozialabgaben. Für diese Gruppe ist der Effekt unmittelbar spürbar – und politisch heikel.

Gutverdiener zahlen die Rechnung
Am deutlichsten verlieren Gut- und Topverdiener. Eine Alleinerziehende mit einem Kind, 6000 Euro Monatsgehalt und Steuerklasse II hat 2026 bereits rund 177 Euro weniger netto im Jahr. Der Grund: höhere Beitragsgrenzen bei Kranken- und Pflegeversicherung.
Noch stärker fällt das Minus bei sehr hohen Einkommen aus. Verheiratete Arbeitnehmer mit 9000 Euro brutto im Monat und Steuerklasse III verlieren laut den Berechnungen bis zu 464 Euro netto im Jahr – ohne Kinder. Mit zwei Kindern sind es immer noch rund 442 Euro. Hier wirken alle Stellschrauben gleichzeitig: Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Die stille Verschiebung im System
Was sich 2026 zeigt, ist keine Ausnahme, sondern ein strukturelles Muster. Steuerliche Entlastungen werden zunehmend durch steigende Sozialabgaben neutralisiert oder überkompensiert. Die politische Kommunikation betont das Steuerrecht, die finanzielle Realität entscheidet sich jedoch bei den Beitragsgrenzen.
Der Effekt ist eine schleichende Umverteilung innerhalb der arbeitenden Mitte. Wer wenig verdient, spürt höhere Beiträge sofort. Wer viel verdient, trägt über steigende Bemessungsgrenzen einen immer größeren Teil der Last. Dazwischen liegt eine breite Gruppe, für die das Netto stagniert – trotz aller Reformversprechen.
Am Ende bleibt eine nüchterne Erkenntnis: 2026 ist kein Jahr der Entlastung, sondern eines der Korrektur. Nicht laut, nicht dramatisch, aber spürbar – Monat für Monat auf dem Gehaltszettel.



