Zwischen Reißbrett und Wall Street
Die Märkte sind aus dem Winterschlaf erwacht. Nach Monaten der Zurückhaltung wagen sich wieder Tech-Werte an die Börse. Doch unter den IPO-Anwärtern ragt einer besonders heraus: Figma.
Das Unternehmen, das einst als simples Design-Tool begann, könnte schon bald mit bis zu 16 Milliarden US-Dollar bewertet werden. Für eine Software, die von UX-Designerinnen, Start-ups und Fortune-500-Firmen genutzt wird, um gemeinsam Interfaces zu bauen. Klingt technisch – ist es auch. Aber Figma ist längst mehr als ein Werkzeug für Pixelverschieber.
Was Figma verkauft, ist Produktivität in der Cloud. Kollaboratives Arbeiten am digitalen Whiteboard, KI-gestützte Entwürfe, Versionierung in Echtzeit – das Unternehmen trifft damit den Nerv der Zeit. Doch wie tragfähig ist das Geschäftsmodell? Und wer braucht wirklich ein Design-Tool mit Milliardenbewertung?
Figma ist überall – und doch unsichtbar
Gegründet 2012 von Dylan Field und Evan Wallace, hat sich Figma zur Standardlösung für Produktteams entwickelt, die in verteilten Strukturen arbeiten – also nahezu alle.

Wer heute bei Spotify, Stripe oder Lufthansa eine App nutzt, surft mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Oberflächen, die in Figma entstanden sind. Die Software erlaubt es, dass Designer, Entwickler und Produktmanager gleichzeitig am gleichen Entwurf arbeiten – live, browserbasiert, ohne Plugins.
Der Gamechanger war die Cloud – kombiniert mit einem radikalen Fokus auf Nutzererlebnis und Geschwindigkeit.
Doch damit allein lässt sich keine zweistellige Milliardenbewertung erklären. Der eigentliche Hebel: Künstliche Intelligenz. Figma nutzt generative KI, um Layoutvorschläge zu machen, Code zu erstellen, Nutzerflüsse zu simulieren.
Es ist nicht mehr nur ein Werkzeug – es ist ein System, das denkt, bevor der Mensch klickt. Diese KI-Komponente macht das Unternehmen besonders wertvoll – und besonders angreifbar.
Der Preis des Erfolgs: Regulierung
Dass Figma in Tech-Kreisen als Perle gilt, zeigt auch der geplatzte Adobe-Deal. 2022 wollte der Softwaregigant den aufstrebenden Rivalen für rund 20 Milliarden Dollar schlucken – das Übernahmeangebot scheiterte jedoch am Widerstand der Wettbewerbsbehörden in den USA und Europa.
Die Kartellwächter sahen in der Fusion die Gefahr einer marktbeherrschenden Stellung im UX-Design-Bereich. Adobe zog zurück, der Deal platzte – und Figma blieb unabhängig.
Diese Geschichte haftet nun am Unternehmen. Auch wenn der Börsengang eine neue Dynamik bringt: Die Regulierung ist wachsam. Und Figma steht mit einem Bein in einem Markt, der zunehmend unter Beobachtung steht – Tech-Plattformen, die Ökosysteme dominieren, ohne dabei greifbar zu sein.
Roadshow mit Rückenwind – aber ohne Einnahmen
Figma bringt sich nun in Stellung. Im Rahmen der Roadshow werden 12,5 Millionen neue Aktien sowie rund 24,6 Millionen Anteile von Altinvestoren angeboten. Die Preisspanne liegt bei 25 bis 28 US-Dollar je Aktie.

Das Tickersymbol „FIG“ steht bereit. Kurios: Figma selbst verdient an diesem Börsengang nichts. Der Großteil der Erlöse geht an bestehende Anteilseigner, darunter Gründer Dylan Field, der selbst rund 2,35 Millionen Aktien abgibt – potenzieller Erlös: fast 66 Millionen Dollar.
Für Investoren ist das ein zweischneidiges Signal. Einerseits zeugt es von Vertrauen der Altaktionäre, andererseits drängt sich die Frage auf: Warum jetzt verkaufen, wenn das Wachstum angeblich erst beginnt?
Design allein reicht nicht – Figma muss liefern
Die Bewertung von bis zu 16,4 Milliarden Dollar ist kein Selbstläufer. Zwar hat Figma eine starke Nutzerbasis und eine rasant wachsende Produktlinie – doch harte Geschäftszahlen bleiben bislang Mangelware.
Über Umsätze, Margen oder Profite schweigt sich das Unternehmen weitgehend aus. Für ein börsennotiertes Unternehmen wird diese Intransparenz nicht haltbar sein.
Analysten sehen in Figma vor allem eines: ein Symbol. Für die Rückkehr der Tech-Börsengänge. Für die Fusion aus KI, Design und Cloud. Für ein neues Arbeiten in einer vernetzten Welt. Doch die Euphorie erinnert an frühere Blasen – von WeWork bis Snowflake. Ohne tragfähiges Geschäftsmodell, nachvollziehbare KPIs und nachhaltige Wachstumsstory bleibt das Risiko enorm.
Blockchain, Token – und ein Instagram-Gründer
Ganz nebenbei liebäugelt Figma mit der Ausgabe sogenannter Blockchain-Aktien – digitalisierte Token, die Aktien abbilden sollen. Ein PR-Stunt oder echter Innovationsvorstoß? Noch gibt es keine konkreten Pläne. Ebenso auffällig: die personellen Neuzugänge im Vorstand.
Mit Instagram-Mitgründer Mike Krieger und Duolingo-CEO Luis von Ahn will Figma offenbar nicht nur technologisch, sondern auch kommunikativ aufrüsten – IPOs sind eben auch Inszenierungen.
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