24. Juni, 2025

Politik

144 Milliarden fehlen – Warum der Bundeshaushalt nur auf dem Papier stabil ist

Die Bundesregierung verspricht Rekordinvestitionen, moderne Infrastruktur und Haushaltsdisziplin. Tatsächlich klafft in der Finanzplanung eine riesige Lücke. 144 Milliarden Euro fehlen – und die Schuldenbremse wird zur politischen Sprengfalle.

144 Milliarden fehlen – Warum der Bundeshaushalt nur auf dem Papier stabil ist
Trotz geplanter Rekordinvestitionen fehlen in der mittelfristigen Finanzplanung 144 Milliarden Euro. Klingbeil muss sparen und gleichzeitig die größte Verschuldung seit Jahrzehnten verantworten.

Haushaltslücke mit Ansage

Investieren, reformieren, konsolidieren – so beschreibt die Bundesregierung ihren neuen Haushalt. Auf dem Papier ein Kraftakt.

Doch die Realität sieht anders aus: Allein für die Jahre 2027 bis 2029 fehlen in der Finanzplanung des Bundes laut interner Kabinettsvorlage 144 Milliarden Euro. Ein sogenannter „Handlungsbedarf“, hinter dem nichts anderes steht als geplante Ausgaben ohne Gegenfinanzierung.

Es ist ein Loch von historischem Ausmaß. Und es zeigt, wie tief die strukturelle Kluft zwischen politischen Ambitionen und haushaltspolitischen Realitäten inzwischen geworden ist.

Klingbeils Spagat: Rekordschulden, aber trotzdem sparen

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) steht vor einer paradoxen Aufgabe: Er soll sparen, obwohl er gleichzeitig neue Rekordinvestitionen plant.

Der Haushalt für 2025 sieht eine Neuverschuldung von 143 Milliarden Euro vor – bis 2029 könnten laut Planung insgesamt bis zu 850 Milliarden Euro an neuen Schulden zusammenkommen. Möglich wird das nur durch gezielte Ausnahmen bei der Schuldenbremse, etwa für Verteidigungsausgaben und das Infrastruktur-Sondervermögen.

Doch die Sonderregeln greifen nicht für alles. Viele Ausgaben – von Bildung über Digitalisierung bis Soziales – unterliegen weiterhin der klassischen Schuldenregel. Und dort ist der Spielraum eng. Sehr eng.

Der Preis der Pandemie kommt zurück

Ein Teil der Problematik ist hausgemacht – und kommt mit Zeitverzögerung. Ab 2028 muss der Bund beginnen, Schulden zurückzuzahlen, die während der Corona-Krise aufgenommen wurden.

Ab 2028 muss der Bund jährlich rund 9 Milliarden Euro an Corona-Sonderschulden tilgen. Zeitgleich verdoppeln sich die Zinskosten – auf fast 60 Milliarden Euro jährlich bis 2029.

Pro Jahr etwa neun Milliarden Euro. Parallel steigen die Zinsausgaben drastisch an. Während sie 2025 noch bei rund 30 Milliarden Euro liegen, könnten sie sich laut Ministeriumsschätzungen bis 2029 nahezu verdoppeln.

Wer heute Schulden aufnimmt, muss morgen zahlen – und genau diese Zukunft hat in der Finanzplanung begonnen.

Die Schuldenbremse – ungeliebte Hüterin der Disziplin

Die Schuldenbremse wurde einst geschaffen, um finanzielle Disziplin zu sichern. In der aktuellen Realität wirkt sie eher wie eine Fußfessel. Denn sie limitiert neue Kredite in Jahren mit guter Konjunktur besonders stark. 2029 – so die Prognose der Bundesregierung – wird die Wirtschaft wieder „voll ausgelastet“ sein.

Das bedeutet: Nur 4,9 Milliarden Euro neue Schulden dürften dann noch aufgenommen werden. Ein Wert, der in keinem Verhältnis zu den laufenden Kosten und Investitionsplänen steht.

Die Folge: Die Schuldenbremse funktioniert, aber sie passt nicht mehr zur politischen Realität.

Ein Umbau mit angezogener Handbremse

Die Bundesregierung hat große Pläne. Die Bundeswehr soll modernisiert werden, die Wirtschaft grüner, die Infrastruktur leistungsfähiger.

Doch das alles kostet – und lässt sich mit den bisherigen Haushaltsregeln kaum noch darstellen. Viele Projekte wurden deshalb bereits „vorsorglich“ in den Finanzplan aufgenommen, ohne dass klar ist, woher das Geld kommt.

Das Ergebnis: Haushaltskosmetik, keine echte Konsolidierung.

Politik am Limit – die Reformdebatte ist zurück

Lars Klingbeil weiß, dass seine Zahlen auf Dauer nicht tragfähig sind. Der eigentliche Plan der Bundesregierung läuft daher hinter den Kulissen: Union und SPD bereiten Verhandlungen über eine tiefgreifende Reform der Schuldenbremse vor. Ziel ist es, mehr Flexibilität bei Investitionen zu schaffen, ohne jedes Mal mit Sondervermögen und Haushaltsausnahmen zu tricksen.

Die Diskussion ist heikel – aber unausweichlich. Denn solange das Regelwerk nicht angepasst wird, bleibt jeder Haushalt ein riskanter Drahtseilakt.

Zwischen Anspruch und Realität klafft ein Loch

144 Milliarden Euro fehlen – doch das ist nur die sichtbare Spitze eines größeren Problems. Die Bundesregierung verspricht viel, doch die finanzielle Basis ist brüchig. Ohne eine ehrliche Reformdebatte über Investitionen, Prioritäten und die Schuldenbremse wird sich dieser Haushalt nicht halten lassen.

Die Ampelregierung versucht derzeit, zwei Welten zu verbinden: die politische Wunschliste und die fiskalische Wirklichkeit. Noch gelingt das – aber nicht mehr lange.

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