Ein Präsident mit klarer Botschaft
Karol Nawrocki ist erst seit Juni im Amt – und schon jetzt macht er deutlich, welche Rolle er spielen will. Vor seinem ersten Besuch in Berlin erklärte er unmissverständlich, Deutschland müsse endlich Reparationen zahlen. 1,3 Billionen Euro, so beziffert ein PiS-Gutachten von 2022 die Schäden, die Polen durch die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg erlitten hat.
Anstatt Interviews zu geben oder sich vor Kameras zu zeigen, setzt Nawrocki auf stille Symbolik: Das Treffen mit Bundespräsident Steinmeier und Kanzler Merz wird nicht von Presseauftritten begleitet. Es ist eine Inszenierung, die vor allem daheim verstanden werden soll. Denn in Polen wünscht sich die Mehrheit eine materielle Anerkennung der historischen Schuld.
„Post-Nazi-Land“ – Kaczyński verschärft den Ton
Die Debatte wurde nicht von Nawrocki allein angestoßen. PiS-Chef Jarosław Kaczyński sprach Deutschland jüngst als „Post-Nazi-Land“ an – ein Land, das Täter habe Karriere machen lassen und bis heute Entschädigungen verweigere. Für Berlin sind solche Worte eine Provokation, für die PiS eine bewährte Methode, um Emotionen zu schüren.
Juristisch ist die Frage längst erledigt. Verträge von 1953, die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen 1990 – aus deutscher Sicht sind Reparationen kein Thema mehr. Doch für die polnische Politik bleibt die Vergangenheit ein Instrument. Mit ihr lässt sich Wut mobilisieren, mit ihr lässt sich Wahlkampf machen.

Sicherheit an der Ostflanke
Der Zeitpunkt ist heikel. Während russische Drohnen in den polnischen Luftraum eindringen und die Nato ihre Präsenz an der Ostflanke verstärkt, wäre Zusammenarbeit wichtiger denn je. Deutsche Patriot-Systeme schützen bereits polnische Städte, Berlin und Warschau sind sicherheitspolitisch enger verflochten, als es der politische Ton vermuten lässt.
Doch die Reparationsfrage legt sich wie ein Schatten über die Partnerschaft. Statt über gemeinsame Strategien zu sprechen, dreht sich die Debatte um Summen, die weder realistisch noch durchsetzbar sind. Beobachter warnen, dass Warschau so seine Rolle als Schlüsselstaat Europas schwächt.
Ein Blockierer im Präsidentenpalast
Nawrockis Amtsführung zeigt bereits klare Konturen. Kaum vereidigt, legte er sein erstes Veto gegen ein Gesetz ein, das Ukrainer in Polen besserstellen sollte. Während sein Vorgänger Andrzej Duda die Nähe zur Ukraine suchte, grenzt sich Nawrocki bewusst ab – und greift alte Konflikte wie die Massaker von Wolhynien auf.
Das bringt ihn in offenen Gegensatz zur Regierung von Donald Tusk, die für eine proeuropäische Linie steht. In Warschau geht man davon aus, dass Nawrocki die Politik Tusks bremsen wird, um den Weg für eine PiS-Rückkehr 2027 zu ebnen. Schon seine erste Reise zu Donald Trump ließ keinen Zweifel daran, wo er seine Allianzen sucht.

Ein Spiel mit hohem Risiko
Für Berlin ist die Lage delikat. Einerseits braucht man Polen als Partner in der Sicherheitspolitik. Andererseits sendet Nawrocki mit jeder Reparationsforderung ein Signal des Misstrauens. Die Regierung Tusk ist für Deutschland berechenbarer, doch der Präsident hat außen- und sicherheitspolitisches Gewicht – gerade in Washington.
Die Forderung nach 1,3 Billionen Euro ist kein ernsthafter Verhandlungsvorschlag. Sie ist innenpolitisches Kalkül, ein Spiel mit Emotionen und Geschichte. Doch die Folgen sind real: Misstrauen wächst, Partnerschaften werden beschädigt, Europa wirkt gespalten.
Geschichte als Waffe
Am Ende steht weniger die Frage nach Geld als die nach Vertrauen. Polen erhebt eine Forderung, die juristisch kaum Bestand hat, aber politisch Schlagkraft entfaltet. Deutschland verweist auf Verträge und Verantwortung – und steht dennoch als Schuldiger im öffentlichen Diskurs da.
Solange Warschau die Vergangenheit als Hebel benutzt, wird die deutsch-polnische Zusammenarbeit eine Beziehung bleiben, die von Misstrauen geprägt ist. 1,3 Billionen Euro stehen auf dem Papier – doch die eigentliche Rechnung wird in der Gegenwart geschrieben.
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