Ein Defizit von 400 Millionen – aber Geld für das AZ
In Köln wird gestrichen: Schwimmbäder, Bauprojekte, Kulturinitiativen – alles auf dem Prüfstand. Die Stadtkasse ist leer, das Haushaltsdefizit wächst auf über 800 Millionen Euro in zwei Jahren.
Und doch beschließt der Rat Ende 2024, dem „Autonomen Zentrum“ (AZ) beim Umzug zu helfen – mit exakt 1.165.000 Euro. Obendrauf gibt es ein 2.700 Quadratmeter großes Grundstück in Erbpacht. Laufzeit: 80 Jahre. Miete: 286 Euro im Monat.
Während viele Bürger mehr zahlen müssen – für Müll, Parken, Wasser –, bleibt das AZ ein Sonderfall. Für Gegner ein Skandal, für die Stadtverwaltung offenbar ein „Signal“.
Verfassungsschutz warnt – die Stadt zahlt
Das Autonome Zentrum wird seit Jahren vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet. In Berichten aus 2020 und 2022 taucht es explizit als Treffpunkt der linksextremen Szene auf.
Das Innenministerium sieht „ideologische Nähe“ zum gewaltbereiten Spektrum. Es gebe keine Hinweise auf Straftaten im Gebäude selbst – wohl aber im Umfeld.
Veranstaltungen wie „Antifa ConnAct“ oder Aufkleber mit „FCK AFD“ sind Alltag. Auf dem Gelände hängen Plakate gegen Kapitalismus, Staat und Eigentum. Für viele ein Ort der Gegenkultur – für andere eine Provokation.
2013 kam es zum Eklat – heute gibt es Fördermittel
Die Geschichte des Zentrums ist konfliktbeladen. 2013 eskalierte ein Räumungseinsatz: Aktivisten errichteten Barrikaden, SPD-Büros wurden beschädigt, der damalige Oberbürgermeister erhielt Drohungen.
Im Gebäude fanden sich laut Polizei einbetonierte Nägel und unter Strom gesetzte Fensterrahmen. Heute spricht man von einem Kollektivprojekt mit „flacher Hierarchie“.

Stadtsprecher vermeiden klare Aussagen. Auf Nachfrage, wer mit wem verhandelte, heißt es ausweichend: „Man befinde sich im laufenden Verfahren.“
Politische Mehrheit mit grün-roter Handschrift
Grüne, Linke, Volt und die „Klimafreunde“ votierten für die millionenschwere Unterstützung. Die CDU enthielt sich, die FDP stimmte als einzige Partei dagegen. Argument: fehlende demokratische Kontrolle.
Fraktionschef Ulrich Breite kritisiert den Vorgang scharf: „Ein Projekt zu fördern, das sich jeder Aufsicht entzieht, ist haushaltspolitischer Irrsinn.“
Die SPD enthielt sich – mit Hinweis auf „problematische Haltungen gegenüber der parlamentarischen Demokratie“. Die Grünen hingegen loben das AZ als „unkommerziellen Ort für selbstorganisierte Kultur“. Der städtebauliche Aspekt wird von allen Seiten betont – als Rechtfertigung für eine Entscheidung, die viele im Rathaus lieber nicht öffentlich erklären.
Neue Nachbarn – ohne Mitspracherecht
Der neue Standort liegt in Köln-Kalk. Zwei Gebäude, ein leerstehender Trakt, ein Kampfsportstudio nebenan. Dessen Betreiber, Markus Klein, wurde nach eigenen Angaben nicht gefragt.
Er spricht von einer „Parallelverwaltung“ in der Stadtverwaltung. Ein Ersatzangebot sei gemacht worden – aber ohne Unterschrift, ohne Klarheit. „Wir sollen Ideologie mittragen, auf eigene Kosten“, sagt er.
Auch der Umzug selbst ist organisatorisch kaum durchsichtig: Im Zentrum gibt es kein Büro, keine Ansprechpartner, keine festen Strukturen. Auf eine einfache Frage – wann die nächste Plenumssitzung ist – antwortet eine Aktivistin: „So zwischen dem 16. und 18., irgendwann zwischen 15 und 19 Uhr, glaub ich.“
Ein Symbol, das polarisiert
Für die einen ist das AZ ein politisches Mahnmal für Gegenmacht, Vielfalt und Unabhängigkeit. Für andere ein Ort, der sich bewusst jeder Kontrolle entzieht – und genau deshalb kein Geld vom Staat erhalten sollte. Besonders in Zeiten leerer Kassen.
Dass ausgerechnet ein Projekt mit offen staatskritischer Haltung auf städtischem Boden gefördert wird, während Familienzentren, Schwimmbäder oder Musikschulen ums Überleben kämpfen, lässt viele fassungslos zurück. Dass sich die Verantwortlichen dabei hinter Floskeln wie „städtebaulicher Entwicklung“ verschanzen, macht es nicht besser.
Köln hat gewählt – mit allen Konsequenzen
Die Entscheidung ist längst gefallen. Der Umzug kommt. Das Geld fließt. Und die politische Mehrheit hat klar gemacht, wofür sie steht: für die Finanzierung auch unbequemer Projekte – selbst wenn sie institutionelle Grenzen herausfordern. Die einen nennen das Kulturförderung. Die anderen: Kontrollverlust.
Ob das AZ in Kalk friedlich einzieht oder erneut zum Symbol für Radikalisierung wird, liegt nun nicht mehr bei der Stadtverwaltung – sondern bei jenen, die das Zentrum prägen. Die Verantwortung ist damit nicht aufgehoben. Sie beginnt erst.