VW vor drastischen Entscheidungen: Werksschließung in Deutschland möglich

Die Balanceakte des Autobauers Volkswagen während seiner Umstellung auf Elektrofahrzeuge gewinnen an Brisanz. Erstmals steht im Raum, dass das Unternehmen ein deutscher Werk schließen könnte, was einen massiven Konflikt mit der mächtigen Gewerkschaft auslösen würde. Das Management von Volkswagen hat am Montag die Möglichkeit einer Werksschließung ins Spiel gebracht, um die Elektro-Transformation trotz schwieriger Marktbedingungen voranzutreiben. Ein "Performance-Programm" für die Kernmarke Volkswagen, das im Dezember mit den Gewerkschaften vereinbart wurde, reicht nach einem enttäuschenden ersten Halbjahr nicht mehr aus, um die Gewinnziele zu erreichen. "Das wirtschaftliche Umfeld ist härter geworden und neue Wettbewerber drängen auf den europäischen Markt," erklärte CEO Oliver Blume. Die Volkswagen-Marke, die größte des Konzerns gemessen am Absatz, trug im ersten Halbjahr weniger als ein Zehntel zum operativen Gesamtergebnis bei. Die Marge betrug nur 2,3 Prozent oder 3,6 Prozent ohne die Kosten eines Abfindungsprogramms. Am Mittwoch hielt Volkswagen eine entscheidende Mitarbeiterversammlung in der Wolfsburger Zentrale ab, um die Details des neuen Sparprogramms zu erläutern. Finanzvorstand Arno Antlitz machte das schwache Ergebnis insbesondere auf die schleppende Erholung nach der Pandemie zurückzuführen. Analysten sehen jedoch auch die aggressive Elektro-Strategie des ehemaligen CEOs Herbert Diess als Grund für die schwache Rentabilität. Ein Rückgang der Elektrofahrzeug-Verkäufe in Deutschland um ein Fünftel im Jahr bis Juli hat die Schwierigkeiten verschärft. Zur Rettung der Finanzen der Volkswagen-Marke könnten radikalere Maßnahmen erforderlich sein, wie beispielsweise das Ende der Vereinbarung von 1994, die betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen hatte. Diese Überlegungen erzeugen Widerstand bei Gewerkschaftschefin Daniela Cavallo. In einer Rede vor den Beschäftigten am Mittwoch machte sie das Management für die schwachen Ergebnisse verantwortlich. Die Auseinandersetzung hat bereits politische Aufmerksamkeit erregt. Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte die Notwendigkeit langfristiger Planung und enger Abstimmung mit den Sozialpartnern. Volkswagen muss jedoch weiterhin kostspielig in Elektrofahrzeuge investieren, da ab nächstem Jahr strengere Emissionsstandards gelten. Der Wettbewerbsdruck durch chinesische Hersteller nimmt sowohl in Europa als auch in China zu. Der schwache operative Gewinn der Marke Volkswagen im ersten Halbjahr war besonders auffällig, wobei andere Massenmarktmarken des Konzerns wie Škoda und SEAT in den letzten Jahren höhere Margen erzielt haben. Arbeitskosten und Energiepreise in Deutschland belasten zusätzlich, wobei die Arbeitskosten hier bedeutend höher als in Tschechien, Spanien oder Ungarn sind. Veteran-Analyst Jürgen Pieper erwartet, dass es zu einem Kompromiss kommen wird, der Werksschließungen vermeidet, möglicherweise durch den Verkauf von Komponenten-Geschäften.