12. Dezember, 2024

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Volle Lager, leere Kassen: Chip-Krise trifft Elektronikbranche hart

Nach Jahren des Chipmangels kämpfen Unternehmen nun mit gigantischen Überbeständen. Pleiten drohen, während Chiphersteller vor neuer Knappheit warnen. Wie konnte es dazu kommen?

Volle Lager, leere Kassen: Chip-Krise trifft Elektronikbranche hart
Übervolle Lager: Elektronikfirmen kämpfen mit den Folgen angstgetriebener Überbestellungen aus der Pandemie – eine Pleitewelle scheint unausweichlich.

Die Party ist vorbei – jetzt kommen die Probleme

Noch vor wenigen Jahren waren Computerchips Mangelware. Autohersteller stoppten die Produktion, Elektronikunternehmen warteten monatelang auf Nachschub. Die Lösung vieler Firmen: Panikkäufe. Bauteile wurden gleich in mehrfacher Menge bestellt – koste es, was es wolle.

Heute stehen viele Unternehmen vor der nächsten Krise. Die Lager sind überfüllt, die Auftragsbücher leer. „Wir erleben täglich, dass Unternehmen ihre Überbestände schnellstmöglich zu Geld machen wollen“, sagt Noureddine Seddiki, Chef des Frankfurter Elektronik-Brokers Sand & Silicon.

Sein Team handelt weltweit mit überschüssigen Bauteilen. Doch nicht alle Unternehmen haben das Glück, ihre Lager schnell leeren zu können. Experten wie Franz-Xaver Feiner vom Elektronikdienstleister Zollner warnen: „Wir stehen vor einer Marktbereinigung.“ Übersetzt: Es werden Firmen pleitegehen.

Warum so viele Chips?

Der Ursprung dieses Chaos liegt in der Coronapandemie. Inmitten des globalen Produktionsstopps wurden Halbleiter zur heiß begehrten Ware. Die Angst, leer auszugehen, ließ Unternehmen zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen.

„Viele haben weit mehr bestellt, als sie eigentlich brauchten“, erklärt Infineon-Chef Jochen Hanebeck.

Das Problem: Diese Bestellungen kamen mit massiver Verzögerung an – zu einem Zeitpunkt, als die Nachfrage längst abflaute. Jetzt sitzen Unternehmen nicht nur auf Bergen ungenutzter Chips, sie müssen auch deren Kosten schultern.

Chipkrise 2.0: Unternehmen verkaufen ihre überschüssigen Bauteile mit massiven Abschlägen, doch die Liquiditätsprobleme bleiben.

Ein globales Problem mit lokalen Folgen

Die Krise betrifft nicht nur Deutschland. Weltweit kämpfen Elektronikfirmen mit denselben Überbeständen. Phil Gallagher, Chef des amerikanischen Elektronikhändlers Avnet, bestätigt:

„Zu viele Chips sind überall auf Lager.“

Die Folgen: Umsätze brechen ein, Gewinne schmelzen. Avnet etwa meldete im letzten Quartal einen Gewinnrückgang von über 70 Prozent.

In Deutschland spüren vor allem die Autohersteller die Auswirkungen. Noch vor kurzem wurden Chips dringend gebraucht, um Produktionsausfälle zu verhindern. Heute wirken sie wie Ballast in den Bilanzen.

„Viele Firmen versuchen, ihre Lager bis zum Jahresende zu reduzieren“, sagt Hanebeck. Ein Grund dafür: Die Bestände wirken sich direkt auf die Bilanzzahlen aus, und kein Unternehmen will schlecht dastehen.

Zwischen Panik und Pleitewelle

Für einige Unternehmen ist die Situation besonders kritisch. „Es ist einfacher, ein Lager aufzubauen, als es wieder zu leeren“, sagt Bo Lybæk, Chef des dänischen Elektronikproduzenten GPV. In der Not werden viele Firmen gezwungen sein, ihre Chips weit unter Wert zu verkaufen – oder ganz vom Markt zu verschwinden.

Doch während einige kämpfen, gibt es auch Gewinner: Die Rüstungs- und Medizintechnikbranchen sind von der Krise weitgehend unberührt. Hier bleibt die Nachfrage hoch, die Lager leer.

Droht die nächste Lieferkrise?

Ironischerweise könnte die aktuelle Chipschwemme bald in eine neue Knappheit münden. Chiphersteller wie Infineon oder NXP fürchten, dass die jetzige Panik zu drastischen Sparmaßnahmen führt. Wenn Unternehmen ihre Lager komplett räumen und keine Nachbestellungen aufgeben, droht in wenigen Monaten ein Engpass.