Thyssenkrupp, einstiger Vorzeige-Konzern der deutschen Industrie, kündigt die Streichung von 11.000 Stellen an – fast 18 Prozent der gesamten Belegschaft. Besonders hart trifft es die Stahlsparte, das einstige Herzstück des Unternehmens. Allein dort sollen bis 2030 rund 5.000 Arbeitsplätze wegfallen, während der Standort Kreuztal-Eichen vollständig geschlossen wird.
Für die Beschäftigten und die betroffenen Regionen ist es ein Schlag ins Gesicht. Gewerkschaften sprechen von einer „Kampfansage“ an die Belegschaft, während Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst von einem „Schock für tausende Familien“ spricht.
Doch diese Krise ist kein plötzlicher Kollaps, sondern das Ergebnis jahrelanger Probleme in der deutschen Stahlindustrie – und Thyssenkrupp steht sinnbildlich für eine Branche, die immer tiefer in die Krise rutscht.
Stahlmarkt im Sturzflug: Zu viel Angebot, zu wenig Nachfrage
Die Probleme von Thyssenkrupp sind auch ein Spiegelbild der globalen Stahlindustrie.
Während die Nachfrage in Schlüsselbranchen wie dem Maschinenbau, der Bauwirtschaft und der Automobilindustrie schwächelt, überschwemmen Überkapazitäten aus Asien, allen voran China, den Weltmarkt. Chinesischer Stahl wird oft weit unter den Produktionskosten verkauft, was die Preise auf ein Minimum drückt.
Europa steht dabei besonders unter Druck. Während Deutschland 2024 gut 30 Millionen Tonnen Stahl produzierte, kommt China im gleichen Zeitraum auf die dreißigfache Menge. Die Folge: Europas Stahlproduzenten kämpfen mit massiven Verlusten, während asiatische Exporteure ihre Überproduktion großzügig subventionieren und so globalen Druck aufbauen.
Ein Unternehmen unter Dauerbelastung
Thyssenkrupp hat seit Jahren mit roten Zahlen zu kämpfen. Im letzten Geschäftsjahr verzeichnete der Konzern einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro – das zweite Jahr in Folge mit Milliardenverlusten. Hauptursache sind hohe Abschreibungen in der Stahlsparte und eine schwache Auftragslage. Der Umsatz sank zuletzt um sieben Prozent auf 35 Milliarden Euro, der Auftragseingang sogar um elf Prozent.
Die politische Unterstützung ist da, doch reicht sie? Bund und Land NRW investieren zwei Milliarden Euro in die klimaneutrale Transformation der Stahlproduktion bei Thyssenkrupp.
Ziel ist der Einsatz von Wasserstofftechnologie, um die CO₂-Emissionen zu senken. Doch Experten bezweifeln, dass die Umstellung rechtzeitig gelingt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
China: Wachstum auf Kosten der Weltmärkte
Ein großer Teil der Krise lässt sich auch in China verorten. Dort produziert die Stahlindustrie weit über den Bedarf, während die Inlandsnachfrage durch eine schwächelnde Wirtschaft und den Immobiliensektor einbricht.
Um die eigenen Verluste abzufedern, exportiert China massiv – ein Vorgehen, das die globalen Märkte belastet und die Preise weiter drückt.
Selbst Antidumpingmaßnahmen in den USA und Europa haben daran wenig geändert. Chinesischer Stahl findet oft über Umwege seinen Weg in die Märkte, während heimische Produzenten wie Thyssenkrupp unter den Preisen leiden.
Ein Politikum mit offenem Ausgang
Die Thyssenkrupp-Krise ist längst ein Politikum. Nordrhein-Westfalen und die Bundesregierung stehen unter Druck, den Stahlstandort Deutschland zu retten. Doch wie Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, anmerkt: „Subventionen schaffen selten nachhaltige Strukturen.“
Statt kurzfristiger Hilfen brauche es eine langfristige Strategie, um den Standort Deutschland wieder attraktiv zu machen. Die Kombination aus hohen Energiekosten, wachsendem Wettbewerb und einer fehlenden Innovationskultur macht den deutschen Stahlsektor anfällig für weitere Rückschläge.