Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich beim jüngsten Treffen europäischer Spitzenpolitiker in Brüssel erneut skeptisch gegenüber der Idee gemeinschaftlicher europäischer Staatsanleihen zur Finanzierung von Rüstungsprojekten gezeigt. Scholz betonte, dass es keine Aussicht auf solch eine gemeinsame Verschuldung gebe und sprach sich stattdessen für mehr Flexibilität auf Länderebene aus.
Die Debatte findet vor dem Hintergrund statt, dass die EU-Kommission die Notwendigkeit sieht, die Schuldenobergrenzen auszureizen, um den steigenden Bedrohungen, insbesondere durch Russland, effektiver begegnen zu können. Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, äußerte sich offen für die Nutzung aller Spielräume im Stabilitäts- und Wachstumspakt, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Ihrer Ansicht nach sind die Regeln zu restriktiv für die nationalen Haushalte, und außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt legt fest, dass die Staatsverschuldung eines EU-Landes 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung nicht überschreiten sollte, wobei das Defizit unter drei Prozent gehalten werden muss. Diese Vorgaben waren erst im Vorjahr überarbeitet worden, wobei Deutschland für strengere Regeln eingetreten war.
Auf dem Treffen, zu dem EU-Ratspräsident António Costa eingeladen hatte, standen auch potenzielle Optionen zur Diskussion wie die Nutzung von Eurobonds und anderen Formaten gemeinsamer Finanzierung. Die EU-Kommission schätzt den zusätzlichen Rüstungsbedarf in den nächsten zehn Jahren auf 500 Milliarden Euro. Besonders im Fokus stehen Projekte wie ein europäisches Luftverteidigungssystem und die Sicherung der östlichen Grenzen der Union.
Zudem wurde eine stärkere Rolle der Europäischen Investitionsbank in der Finanzierung von Rüstungsprojekten erörtert. Diese Bank müsste ihr Mandat ändern, um auch reine militärische Projekte zu unterstützen – ein Schritt, der von Kritikern aufgrund möglicher negativer Auswirkungen auf das Kreditrating der Bank skeptisch gesehen wird.
Zusätzlich sollen mehr private Gelder mobilisiert werden, mit einem Appell an den privaten Bankensektor, seine Kreditpolitik anzupassen. Auch aus der Nato wurden entsprechende Forderungen zur Unterstützung der Rüstungsindustrie laut. Scholz deutete darüber hinaus an, dass Wettbewerbsregeln gelockert werden könnten, um die Stärke der europäischen Rüstungsindustrie zu fördern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich dafür aus, bei künftigen Investitionen die europäische Industrie zu priorisieren, um strategische Unabhängigkeit im Verteidigungssektor zu erreichen.
Das Treffen könnte als Basis für bevorstehende Gesetzesinitiativen im nächsten Frühjahr dienen, mit erwarteten Entscheidungen beim EU-Sommergipfel im Juni.