Die aktuelle Offensive der Ukraine auf russischem Boden mag aussichtslos erscheinen, doch sie entfaltet eine bemerkenswerte psychologische Wirkung. Feindliche Panzer auf russischem Territorium, Zerstörungen im Grenzgebiet sowie getötete Zivilisten und die Verhängung des Ausnahmezustands in der Region Kursk setzen den russischen Präsidenten Putin zunehmend unter Druck.
Dies erschwert es ihm, den Krieg in der Ukraine weiterhin als eine begrenzte "militärische Spezialoperation" darzustellen. Trotz rigider Zensur könnten nun vermehrt kritische Fragen in Russland aufkommen, die die bisherigen Erklärungen in Frage stellen.
Das Überraschungspotenzial dieser Offensive zeigt sich daran, dass Putin den Vorstoß als "groß angelegte Provokation" verurteilt. Diese Rhetorik, die die Täter-Opfer-Konstellation zu verdrehen versucht, ist von einer gewissen Zynik geprägt. Hier passt das bekannte Zitat des griechischen Dichters Aischylos: "Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer."