Die Europäische Union hat eine bedeutsame Wegmarke erreicht, indem sie einen Konsens über die Revision der Spielregeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden erzielt hat. Nach intensiven nächtlichen Diskussionen wurde eine erfolgreiche Übereinkunft erlangt, wie von der belgischen EU-Ratspräsidentschaft verkündet wurde, die neue Maßstäbe für die finanzielle Disziplin innerhalb des Bündnisses setzt.
Das Kernelement der vereinbarten Pläne ist eine flexiblere Handhabung der fiskalischen Ziele beim Abbau übermäßiger Defizite und Schulden, die nun stärker die spezifischen Gegebenheiten jedes Landes reflektieren soll. Für hochverschuldete Nationen werden indessen klare Mindestbedingungen für die Reduktion der Schuldenniveaus eingeführt. Eine vorläufige Abmachung der Finanzminister der EU-Staaten zum Jahresende markierte hierfür den Ausgangspunkt, der weitere Gespräche mit dem Europäischen Parlament erforderlich machte.
Die bisherigen Vorgaben sahen eine Deckelung des Staatsverschuldungsgrads auf sechzig Prozent der Wirtschaftsleistung vor, ebenso wie das Einhalten eines unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegenden Finanzierungsdefizits der öffentlichen Haushalte. Insbesondere seit der Corona-Krise und den Auswirkungen des Konflikts in der Ukraine waren diese Regelungen vorübergehend außer Kraft gesetzt worden, zumal fast alle EU-Länder die Defizitgrenze von drei Prozent überschritten hatten.
Die Neuordnung basiert auf Reformvorschlägen der EU-Kommission, denen gegenüber insbesondere die deutsche Bundesregierung Zurückhaltung wegen einer potenziellen Erosion des Stabilitätspaktes geübt hatte. Nach zähen Verhandlungen über Monate konnten sich die EU-Regierungen schließlich auf die jetzt verabschiedeten Anpassungen verständigen.
In der Praxis soll weiterhin gelten, dass Staaten, die gegen die Defizitbegrenzung verstoßen, eine jährliche strukturelle Verbesserung von wenigstens 0,5 Prozent des BIP anstreben müssen. Befürworter einer lockeren Fiskaldisziplin erreichten jedoch, dass die EU-Kommission im Rahmen eines Übergangszeitspanne beim Festlegen der Anpassungsanstrengungen auch einen Anstieg in den Zinszahlungen berücksichtigen darf.
Bevor die Neuerungen des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts wirksam werden, bedarf es der Ratifizierung durch den Ministerrat der EU und das Plenum des Europäischen Parlaments, was in der Regel als Formalität gilt. Die belgische EU-Ratspräsidentschaft hob hervor, dass die überarbeiteten Richtlinien dazu beitragen werden, stabile und nachhaltige öffentliche Finanzen zu schaffen, Strukturreformen einzuleiten sowie Investitionen, Wachstum und Arbeitsplatzschaffung in der EU zu fördern.