11. September, 2024

Märkte

Hausse und Tiefpunkt: Was Anleger aus unerwarteten Marktumschwüngen lernen können

Hausse und Tiefpunkt: Was Anleger aus unerwarteten Marktumschwüngen lernen können

Nach einem spektakulären Abschlussquartal 2023 zeigt sich die Bilanz des Marktes um einiges besser als vor einem Jahr von den Experten prognostiziert. Im Gegensatz dazu hat das Marktgeschehen zu Beginn dieses Jahres eher bescheiden begonnen. Doch welche Lehren sollten Anleger aus diesen unerwarteten Kursbewegungen ziehen?

Kaum ein Anleger hätte Anfang 2023 auch nur im Traum daran gedacht, dass auf das Desaster an den Kapitalmärkten im Jahr 2022 zweistellige Gewinne bei (fast) allen wichtigen Aktienindizes folgen würden. Insbesondere Anhänger des Growth-Ansatzes erlebten 2023 unerwartet einen Performance-Frühling: Der Nasdaq 100 legte um beeindruckende 55 Prozent zu, nachdem er im Jahr 2022 noch um etwa ein Drittel eingebrochen war. Cathie Woods Ark Innovation ETF stieg im Jahr 2023 um beeindruckende 67 Prozent, nachdem er im Vorjahr dieselbe Performance, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, verbucht hatte. Der MSCI World gewann knapp 24 Prozent, der DAX erzielte ein Plus von über 20 Prozent und selbst breit diversifizierte Euro-Anleihe-Indizes legten um mehr als 7 Prozent zu.

Für viele Anlegerinnen und Anleger wird diese unerwartete Hausse aus tiefstem Herzen gehasst. Das mag merkwürdig klingen, jedoch hassen sie verständlicherweise jede Hausse, an der sie nicht partizipieren konnten. Angesichts der eindeutigen Warnungen von Experten an der Wall Street dürften viele Investoren die Hausse des vergangenen Jahres verpasst haben. Wer nicht investiert war, wird wahrscheinlich keinen Trost darin finden, dass Cash auch Renditen von gut 3 Prozent abwerfen konnte.

Es gibt jedoch einen noch schwerwiegenderen Fehler als außerhalb einer Hausse zu bleiben: Nach dem Verpassen einer Hausse überhastet ins Risiko zu gehen, in der Hoffnung, doch noch vom Aufschwung zu profitieren. Der Südstaaten-Romancier William Faulkner schrieb einst, dass für manche Menschen die Vergangenheit nicht tot ist, ja, sie sei nicht einmal vergangen. Das sollte als Warnung verstanden werden: Wer sich nicht mit seiner Vergangenheit, seinen Fehlern, auseinandersetzt, wird diese immer wieder begehen.

Übertragen auf die Anlegerwelt bedeutet das: Wer jetzt überstürzt in den Aktienmarkt einsteigt, droht in dieselbe Falle zu tappen, die ihn Ende 2022 vom Einstieg abgehalten hat - und zwar blind dem Herdentrieb zu folgen, ohne das Portfolio auf alternative Szenarien einzustellen. Dies kann verheerende Auswirkungen auf die Rendite haben.

Allein der Gleichklang der Kapitalmarktprognosen Ende 2023 sollte zur Vorsicht mahnen. Die meisten Investmentbanken hatten Ende des vergangenen Jahres die Rezession aus ihren Prognosen gestrichen und eine Konjunkturerholung vorhergesagt. Das legt die Aussicht auf steigende Preise bei Risiko-Assets nahe.

Das mag möglich sein. Zwischen November und dem Ende des Jahres 2023 stiegen die Aktienkurse in einem atemberaubenden Tempo, während die Renditen zehnjähriger Treasuries um mehr als einen Prozentpunkt auf unter 4 Prozent fielen. Es könnte jedoch auch ganz anders kommen.

Ein willkommener Warnschuss gegen zu viel Euphorie könnte die Marktentwicklung zu Beginn dieses Jahres sein. Allein in den ersten vier Handelstagen verzeichneten die breit gestreuten Kurse Verluste. Die Apple-Aktie sank um 5 Prozent, Cathie Woods Ark ETF brach um über 6,5 Prozent ein und auch bei den meisten Growth-, Tech- und Nebenwerte-Benchmarks ging es kräftig gen Süden. Die Renditen an den Anleihenmärkten stiegen ebenfalls spürbar an (wenn die Renditen steigen, fallen die Kurse). Der Auslöser für diese Rückschläge? Die Protokolle der letzten Sitzung der US-Notenbank vom Dezember 2023 wurden veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass kurzfristig keine Zinssenkungen zu erwarten sind. Mit anderen Worten: Es wurde das bestätigt, was eigentlich jeder aus den vielen Statements von Jerome Powell im letzten Jahr hätte entnehmen können.

Die Lehre, die Anleger aus unerwarteten Marktumschwüngen ziehen sollten, ist die, keinen überstürzten Aktionismus an den Tag zu legen. Wer langfristig investiert ist, sollte nicht taktisch traden. Langfristige Renditen am Aktienmarkt sind nur für diejenigen zu erzielen, die auch die Abwärtsphasen aushalten können. Das bedeutet nicht, dass Anleger roboterhaft agieren sollten. Wer im Zuge steigender Zinsen die Laufzeiten seines Anleihenportfolios verkürzt hat, konnte dadurch nicht nur die Kursverluste reduzieren, sondern profitierte auch von der inversen Zinskurve. Feinjustierungen am Portfolio können also sinnvoll sein. Alles-oder-Nichts-Entscheidungen sollten dagegen im Casino, nicht aber an der Börse getroffen werden.