Boeing befindet sich derzeit in einer herausfordernden Lage. Nach einem negativen zweiten Quartal mit einem Umsatzrückgang, einem Verlust von 2,33 US-Dollar je Aktie und einem Cash-Abfluss von 4,3 Milliarden US-Dollar, verkündete der Luft- und Raumfahrtkonzern eine weitere bedeutsame Veränderung in der Führungsetage: CEO Dave Calhoun wird zurücktreten und durch den ehemaligen Rockwell Collins-Manager Robert K. "Kelly" Ortberg ersetzt.
Diese Veränderung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt für Boeing, da sich die Firma bereits mit Problemen in ihrer zivilen Luftfahrt- und Raumfahrtsparte sowie einem Streik von 33.000 Maschinenbauern konfrontiert sieht. Doch damit nicht genug: Der Leiter der Boeing-Defensesparte, Ted Colbert, verlässt das Unternehmen ebenfalls nach 15 Jahren. Vorübergehend wird Steve Parker, sein bisheriger Stellvertreter, die Führung übernehmen.
Auffällig ist Boeings zurückhaltende Kommunikation dieser Veränderungen. Während die offiziellen Pressemitteilungen seit dem 20. September keine nennenswerten Angaben zu den internen Umwälzungen machen, bestätigen andere zuverlässige Quellen wie das Wall Street Journal und die Webseite der US-Börsenaufsicht SEC den Abgang Colberts. Dieser Wechsel bringt zunächst keine Hoffnung auf eine schnelle Wende, da Parker, als ehemaliger COO der Sparte, als vorübergehender Leiter keine neuen Impulse erwarten lässt.
Seit Colberts Übernahme der Defense-Sparte im Jahr 2019 sind die Umsätze in dieser Division um 4,5% gesunken, und das operative Ergebnis drehte sich von einem Gewinn von 2,6 Milliarden US-Dollar in einen Verlust von 1,8 Milliarden US-Dollar. Investoren könnten sich also erhoffen, dass Colberts Ausscheiden eine positive Wende einleitet. Doch allein die Tatsache, dass sein Stellvertreter Parker nun das Zepter übernimmt, könnte den Optimismus dämpfen.
An dieser Stelle bleibt für Boeing nur die Hoffnung auf einen langfristigen Turnaround-Spezialisten, der die Sparte wieder auf Kurs bringt. Eine schnelle Lösung, wie etwa der Verkauf der Defense- und Raumfahrtsparte, scheint momentan nicht auf der Agenda zu stehen. Dies hätte einen neuen Manager mit Erfahrung in Fusionen und Übernahmen erfordert, was aktuell nicht der Fall ist.
Die anstehenden Veränderungen bei Boeing zeigen, dass der Konzern noch einen langen Weg vor sich hat, um die entstandenen Probleme zu bewältigen. Investoren sollten sich auf eine längere Durststrecke einstellen und hoffen, dass der zukünftige Strategiewechsel in der Defense-Sparte nachhaltige und positive Effekte mit sich bringt.