In Zeiten der Pandemie mussten sich Wohnungseigentümergemeinschaften an neue Rahmenbedingungen anpassen, die Frage der Rechtmäßigkeit virtueller Versammlungen steht jedoch weiterhin im Raum. Eine Eigentümergemeinschaft aus Südhessen steht derzeit im Fokus des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, nachdem das Landgericht Frankfurt am Main Beschlüsse einer ausschließlich schriftlich abgehaltenen Vertreterversammlung für nichtig erklärte. Die Begründung: Das persönliche Teilnahmerecht der Wohnungseigentümer sei verletzt worden.
Mit dem Fall, der unter dem Aktenzeichen V ZR 80/23 läuft, wird nun auf höchster judikativer Ebene geklärt, ob solche Beschlüsse unwirksam oder lediglich anfechtbar sind. Im November 2020 hatte die Verwalterin zu einer schriftlichen Abstimmung aufgerufen, Protokolle erstellt und Beschlüsse ohne physische Anwesenheit der Eigentümer getroffen. Diese Vorgehensweise wird nun als Präzedenzfall behandelt, um zukünftige Verfahrensweisen zu legitimieren oder zu unterbinden.
Experten wie Lothar Blaschke vom Verein Deutscher Wohnungseigentümer heben hervor, dass der persönliche Austausch bei Versammlungen einen wesentlichen Bestandteil darstellt und Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund bestätigt, dass zwar nach Lösungen für die Einhaltung der Abstandsregeln gesucht wurde, manche Versammlungen aber auch ausgefallen sind. Die rechtliche Unsicherheit bzgl. virtueller Alternativen besteht weiterhin, und es bleibt fraglich, wie viele Verwalter ähnlich drastische Maßnahmen durchgeführt haben wie im vorliegenden Fall.
Eine Reaktion des Gesetzgebers liegt bereits vor: Eine Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes ist in die Wege geleitet worden, die es ermöglichen soll, Versammlungen online durchzuführen – unter der Prämisse, dass eine Dreiviertelmehrheit der Eigentümer zustimmt. Diese Regelung könnte für eine Dauer von bis zu drei Jahren gelten, um Neuankömmlinge nicht dauerhaft an eine solche Praktik zu binden.