Die Deutsche Bahn steht vor einer wegweisenden Entscheidung: Der Verkauf ihrer Logistiktochter DB Schenker ist beinahe besiegelt. Für stolze 14,3 Milliarden Euro soll das Unternehmen an den dänischen Logistikkonzern DSV übergehen.
Ein Mega-Deal, der nicht nur die Kassen der Bahn füllen, sondern auch den immensen Schuldenberg von rund 33 Milliarden Euro reduzieren soll. Doch es gibt einen Haken: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG will den Verkauf mit aller Kraft stoppen.
Am kommenden Mittwoch soll der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn darüber abstimmen, ob DB Schenker tatsächlich verkauft wird. Das klingt nach einem formalen Akt, doch hinter den Kulissen brodelt es.
Die EVG hat angekündigt, sich gegen den Deal zu stellen und versucht nun, weitere Mitglieder des Aufsichtsrats auf ihre Seite zu ziehen. Sollte es der Gewerkschaft gelingen, könnte der Verkauf noch in letzter Minute kippen.
Warum der Widerstand?
Die Frage drängt sich auf: Warum kämpft die EVG gegen den Verkauf eines Unternehmens, das offensichtlich hohe Summen in die leeren Kassen der Bahn spülen würde?
Die Antwort liegt in der Zukunft der Mitarbeiter von Schenker. Die Arbeitnehmervertreter befürchten einen massiven Stellenabbau, sollte Schenker an den dänischen Konkurrenten DSV verkauft werden. Dabei steht insbesondere die Frage im Raum, wie viele der 75.000 Arbeitsplätze weltweit auf dem Spiel stehen könnten, wenn DSV seine eigene Struktur durchsetzen möchte.
Interessanterweise gab es auch einen weiteren Interessenten: den Private-Equity-Investor CVC Capital Partners. Die Arbeitnehmerseite hätte einem Verkauf an CVC eher zugestimmt, da sie hier mehr Kontrolle über die zukünftigen Arbeitsbedingungen gesehen hätte. Doch das Rennen machte am Ende DSV – und damit ist die Sorge um die Zukunft der Mitarbeiter größer als je zuvor.
Die Zahlen sprechen für Schenker
Es ist kein Geheimnis, dass Schenker eine der wenigen Erfolgsgeschichten im Konzernportfolio der Deutschen Bahn ist. Während die Bahn mit ihrer Infrastruktur und dem Personenverkehr häufig in die roten Zahlen rutscht, glänzt Schenker mit soliden Gewinnen.
Im ersten Halbjahr 2023 erwirtschaftete die Logistiktochter einen operativen Gewinn von 520 Millionen Euro – und trug maßgeblich dazu bei, dass die Bahn nach der Corona-Krise zumindest zeitweise wieder schwarze Zahlen schreiben konnte. Im Gesamtjahr 2023 lag der Gewinn bei beeindruckenden 1,8 Milliarden Euro.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Verkauf für viele unverständlich. Warum sollte man ein Unternehmen abgeben, das so gut läuft? Die Antwort: Schuldenabbau.
Die Bahn sitzt auf einem Berg von 33 Milliarden Euro Verbindlichkeiten, und der Erlös aus dem Schenker-Verkauf könnte helfen, diesen zu reduzieren. Doch Kritiker fragen sich, ob der kurzfristige finanzielle Gewinn die langfristigen Folgen rechtfertigt.
Entscheidung auf der Kippe
Im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sitzen insgesamt 20 Mitglieder, die zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern bestehen. Sollte es zu einem Patt kommen, könnte der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Gatzer das Zünglein an der Waage sein. Er besitzt in einem solchen Fall ein Doppelstimmrecht, das theoretisch den Weg für den Verkauf ebnen könnte.
Doch die Gewerkschaften setzen auf die Solidarität der Arbeitnehmervertreter. Die Deutsche Lokomotivführer-Gewerkschaft (GDL), die ebenfalls im Aufsichtsrat vertreten ist, hat sich bisher noch nicht eindeutig positioniert.
Ihre Stimme könnte ausschlaggebend sein, ob der Verkauf am Mittwoch durchgeht oder ob die Gewerkschaften einen letzten Triumph feiern.
Ein Deal mit Folgen?
Was auch immer am Mittwoch entschieden wird, eines ist sicher: Der Verkauf von DB Schenker wäre mehr als nur ein einfacher Finanzdeal. Es geht um die Zukunft eines der profitabelsten Teile der Deutschen Bahn und um die Arbeitsplätze tausender Mitarbeiter weltweit.