Im Schatten der nahenden Europawahl zeichnet sich eine wachsende Skepsis unter hessischen Unternehmen gegenüber der Europäischen Union als Wirtschaftsstandort ab. Die Präsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertags, Kirsten Schoder-Steinmüller, hat die Ergebnisse einer aktuellen Bestandsaufnahme präsentiert, die zeigt, dass jedes zweite Unternehmen im Bundesland von einem Attraktivitätsverlust der EU in den letzten fünf Jahren berichtet. Zunehmende Bürokratie und eine verdichtete Regulierungslandschaft werden hier als Hauptursachen für die Verschlechterung der Standortbedingungen betrachtet.
Dieses Szenario basiert auf Erkenntnissen aus dem "Unternehmensbarometer" der Industrie- und Handelskammern. Die Umfrage, die zur Einschätzung der EU im Vorfeld der kommenden Europawahl dienen soll, fand zwischen dem 19. und 27. Februar statt und konnte die Meinungen von rund 300 hessischen Unternehmen sammeln.
Bei genauerer Betrachtung geht aus dem Barometer allerdings auch hervor, dass die Befragten Vorteile durch die europäische Integration durchaus erkennen. Eine große Mehrheit von 80 Prozent hob dabei die politische Stabilität hervor. Eng daran anschließend sahen 79 Prozent einen Nutzen im gemeinsamen Währungsraum. Auch der Zugang zu europäischen Märkten (68 Prozent), einheitliche EU-Normen und Standards (67 Prozent) sowie reduzierte Wettbewerbsverzerrungen (65 Prozent) wurden positiv bewertet. Dagegen bewerteten sie den Nutzen von europaweiten Finanzierungsmöglichkeiten als eher gering (31 Prozent).
In Hinblick auf mögliche Verbesserungsmaßnahmen plädieren 94 Prozent der befragten hessischen Betriebe für einen Bürokratieabbau. Einen hohen Stellenwert hat darüber hinaus die Sicherheit der Energieversorgung, welche 67 Prozent als besonders wichtig einstufen, gefolgt von der Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und dem Schutz vor digitalen und analogen Attacken, die jeweils 54 Prozent der Unternehmen als relevant erachten. Weniger Einigkeit herrscht hingegen in Punkto Rechtsrahmen für neue Technologien und Klimaschutz sowie der Verbesserung des Binnenmarktes – hier sieht lediglich ein Viertel der Befragten Handlungsbedarf.